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Bewährung für prügelnde Polizisten

Gericht spricht Angeklagte im Kölner Polizistenprozess der Körperverletzung mit Todesfolge schuldig. Haftstrafen bis zu sechzehn Monaten auf Bewährung verhängt. Unzulängliche medizinische Versorgung des Opfers wirkt strafmildernd

von PASCAL BEUCKER

Schuldig. Günter K. schaut entgeistert zur Richterbank. Verständnislos beginnt der 42-jährige Polizist auf der Anklagebank seinen Kopf zu schütteln. Über eine Stunde lang wird er damit nicht mehr aufhören. Denn so lange dauert die Urteilsbegründung des Kölner Landgerichts: Günter K. und fünf seiner Kollegen sind schuldig der gemeinschaftlichen Körperverletzung im Amt mit Todesfolge.

Es gebe keinen Zweifel daran, so der Vorsitzende Richter Bruno Terhorst, dass sie am 11. Mai vergangenen Jahres auf der Polizeiwache „Eigelstein“ auf den an Armen und Beinen gefesselten Stephan Neisius eingeprügelt hätten. Diese Misshandlungen hätten zwar „nicht unmittelbar zum Tode geführt“, aber seien doch mitverantwortlich dafür, dass der 31-Jährige ins Koma fiel, aus dem er nicht mehr erwachte. Das Motiv der Beamten, die durch ihre Verurteilung ihren Beruf verlieren: Ärger über den Widerstand von Neisius bei der Festnahme. Sie hätten ihm einen „Denkzettel“ erteilen wollen.

Auch wenn das Gericht in der Rekonstruktion der Geschehnisse den Ausführungen der Staatsanwaltschaft folgte, blieb es zum Teil deutlich unter dem von den Anklägern geforderten Strafmaß. So verurteilte es Günter K. sowie Lars S. zu 16, Matthias L. zu 15, Reinhard W. zu 14, Dennis G. zu 13 Monaten und Lars D. zu der Mindeststrafe von einem Jahr, jeweils auf Bewährung.

Die Strafen am untersten gesetzlich zulässigen Rahmen rechtfertige das Gericht mit einer Reihe strafmildernder Umstände. So attestierte es den Angeklagten kein geplantes, sondern ein „spontanes, kurzschlüssiges Handeln“. Terhorst: „Sie waren und sind keine Prügelpolizisten, auch wenn sie hier versagt haben.“ Zudem sei ganz wesentlich strafmildernd, dass auch andere Ursachen für den Tod von Stephan Neisius mitverantwortlich gewesen seien. So sei der unter einem starken psychotischen Schub Leidende im Krankenhaus nicht sachgerecht versorgt worden. Das Gericht zeigte sich überzeugt, dass „das Opfer bei richtiger Behandlung wohl noch leben könnte“. Trotzdem hätten die Polizisten wissen müssen, dass „Tritte und Schläge gegen den Kopf eines Menschen den Tod nach sich ziehen können“.

Die Staatsanwaltschaft hatte für den Wachdienstführer Günter K., der in der Hauptverhandlung behauptet hatte, von der Misshandlung von Neisius nichts mitbekommen zu haben, eine zweieinhalbjährige Haftstrafe ohne Bewährung gefordert. Ihn hatte sie als Hauptverantwortlichen ausgemacht. Für die anderen fünf Angeklagten beantragte sie Haftstrafen zwischen 14 und 24 Monaten auf Bewährung.

Die Verteidigung hatte für fünf der sechs Polizisten einen Freispruch beantragt. „Polizeiliche Mittel sind nun mal nicht schön, sondern brutal, das liegt in der Natur der Sache“, konstatierte eine Verteidigerin. Ein tatsächliches Fehlverhalten wäre ihren Mandanten nicht eindeutig nachzuweisen. So hätten die beiden Kronzeugen, die die Misshandlungen durch ihre Kollegen auf der Wache mitangesehen haben wollen, ein „widersprüchliches, selektives und taktisches Aussageverhalten“ gezeigt.

Das Gericht folgte dieser Argumentation nicht. Die Aussagen der Zeugen seien nachvollziehbar und plausibel gewesen, so Richter Terhorst. Die Verteidigung will nun in Revision gehen.

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