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Gesundheit soll eine Marke werden

Kombination von Tourismus und Medizin: Wellnessmarkt im Norden boomt trotz kränkelnder Konjunktur. Die Kehrseite des Unternehmer-Glücks: Kliniken müssen sparen, was das Zeug hält. Das betrifft vor allem das Personal

kiel lno ■ Nach repräsentativen Umfragen achten 63 Prozent der Bundesbürger mehr auf ihre Gesundheit als vor fünf Jahren. Die Gesundheitswirtschaft boomt – trotz kränkelnder Gesamtwirtschaft. Kliniken und Krankenkassen, Apotheken und Wellness-Anbieter wollen ihren Anteil an einem Markt sichern, der mit 234 Milliarden Euro elf Prozent der gesamten Wirtschaftsleistung der Bundesrepublik erbringt. Auch in Schleswig-Holstein und Hamburg wähnt sich die Branche im Aufwind. Fachleute sehen einen Trend zur Versorgung aus einer Hand. „Ziel ist, eine Marke Gesundheit zu kreieren“, sagt der frühere Berliner Gesundheitssenator Ulf Fink (CDU).

In Norddeutschland mauserte sich etwa die vergleichsweise kleine Unternehmensgruppe Damp mit einem Mix aus Akutmedizin, Reha-Angeboten und Tourismus in wenigen Jahren zur größten privaten Gesundheitsgruppe (Umsatz 2003: 250 Mio. Euro). „Wir wollen tragfähige Netzwerke aufbauen“, sagt Damp-Vorstandschef Carl Hermann Schleifer, Herr über inzwischen acht Kliniken und eine Touristik-GmbH mit rund 4.000 Mitarbeitern. „Ich sehe die Zukunft des Marktes generell in der Kombination von touristischen Elementen mit Medizin“, sagt Schleifer.

„Die kritische Finanzlage zwingt Krankenhäuser und Versicherer, die Kostenkontrolle zu intensivieren. In der Krise sind beide Gruppen eher als bislang bereit, Kooperationen einzugehen“, heißt es in einer Untersuchung des F.A.Z-Instituts aus dem Vorjahr. Angesichts steigender Kosten bewerten darin 42 Prozent der Großkliniken die Aussichten für die Branche als schlecht.

Um bessere Aussichten bemüht sich seit Jahren der Hamburger Landesbetrieb Krankenhäuser (LBK): In seinen sieben Kliniken wurden seit 1997 Verwaltung und Einkauf, Logistik und Labor zentralisiert. Von 16.000 Mitarbeitern blieben 12.000, auch die Kosten wurden um ein Viertel gedrückt. Ersparnis bisher: 650 Millionen Euro. „Die Gesundheitsbranche muss lernen, was in anderen Branchen längst üblich ist: Wettbewerb, Marketing, Management“, betont LBK-Chef Heinz Lohmann.

Die Fachhochschule Lübeck will zu diesem Lernprozess beitragen. Seit Herbst gibt es dort einen Studiengang, der Betriebswirtschaft und Gesundheitswirtschaft kombiniert. „Wir haben in der Branche ein deutliches Defizit etwa bezüglich Marketing und Kundenorientierung festgestellt“, begründet Professor Ralf Cremer das Angebot. „Die klassischen Themen der Dienstleistungsbranchen wurden lange vernachlässigt.“ Zum Wintersemester 2003/2004 hatten 38 Studienanfänger den dreijährigen Bachelorstudiengang aufgenommen. Zugleich streben 15 Ärzte, Pharmazeuten und Apotheker an der Fachhochschule den Masterabschluss in dem neuen Fach an.

Neue Märkte könnten sich für die Absolventen und den Rest der Branche in Osteuropa auftun. Schleswig-Holsteins Ministerpräsidentin Heide Simonis (SPD) Anfang Juni nach einer Reise durch die baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauen überzeugt: „Wir haben Türen geöffnet.“ jörn bender

Infos: FH Lübeck: www.fh-luebeck.de/content/01_34_07/4/0.html; Damp-Gruppe: www.damp.de; LBK Hamburg: www.lbk-hh.de.

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