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Bundeswehr bekommt Quoten(-debatte)

Frauen sollen auch beim Bund bevorzugt befördert werden, solange sie unterrepräsentiert sind, beschloss gestern das Bundeskabinett. Den Grünen ist die Quote zu niedrig, dem Bundeswehrverband zu hoch, und die CDU will sie gar nicht

VON HEIDE OESTREICH

Das Gleichstellungsgesetz für die Bundeswehr, das gestern vom Kabinett verabschiedet wurde, wird wohl noch für einige Aufregung sorgen. Gestern meldeten die ersten PolitikerInnen und auch der Bundeswehrverband Kritik an – aus ganz verschiedenen Richtungen.

Ähnlich wie im gesamten öffentlichen Dienst sollen nun auch in den Streitkräften Frauen bei gleicher Qualifikation bevorzugt befördert werden, so lange sie unterrepräsentiert sind. Allerdings beträgt die zu erreichende Quote nicht 50, sondern nur 15 Prozent. Das ist der frauenpolitischen Sprecherin der Grünen im Bundestag, Irmingard Schewe-Gerigk, zu wenig. „Im ursprünglichen Entwurf waren es noch 30 Prozent, das wäre für mich das Minimum“, so Schewe-Gerigk zur taz. Den Einwand, dass dann ja auf Jahre hinaus Männer keine Chance mehr hätten, lässt sie nicht gelten: „Das würde ja bedeuten, dass Männer immer schlechter qualifiziert sind als Frauen. Davon gehe ich nicht aus.“

Dem Bundeswehrverband dagegen sind sogar die 15 Prozent noch zu viel: Es gebe eine relativ große Spanne an Qualifikationen, die als „gleich“ gelten, so Oberleutnant Katja Roeder zur taz. „Wenn dann von 1.000 Soldaten nur die 150 Frauen befördert werden, dann empfinden auch wir das als ungerecht“, sagte Roeder. Der Verband plädiere für ein so genanntes Kaskadenprinzip: Die jeweilige Quote solle sich an dem Anteil der weiblichen Soldaten in der jeweiligen Einheit orientieren. Das wäre eine erheblich kleinere Zahl: Im Durchschnitt sind in den Streitkräften, wenn man die SanitäterInnen herausrechnet, 1,2 Prozent Frauen vertreten.

Die CDU dagegen hat das mit der gleichen Qualifikation überhaupt nicht verstanden und erklärte gestern, dass die Quote dazu führe, „dass Frauen automatisch befördert werden, ohne dass sie sich über Eignung, Leistung und Befähigung qualifizieren müssen“. Das erklärten die Frauenpolitikerin Annette Widmann-Mauz und der Verteidigungspolitiker Christian Schmidt, gestern unisono. Die CDU will dementsprechend überhaupt keine Quote.

Das Gesetz sieht weiterhin vor, dass auf Divisionsebene Gleichstellungsbeauftragte gewählt werden. Eine hauptamtliche Beauftragte wäre dann für mehrere tausend SoldatInnen zuständig, ein um ein vielfaches höherer Schlüssel als im öffentlichen Dienst. Etwa 44 Beauftragte wären damit freizustellen. Den Anspruch auf einen Teilzeitarbeitsplatz für Eltern dagegen begrüßen alle – wobei die Grüne Schewe-Gerigk einen Rechtsanspruch einfordert, und nicht nur das Recht, einen Antrag zu stellen, der dann wieder abgelehnt werden kann.

Die Gefahr, dass Massen von Teilzeiteltern die Truppe lahmlegen könnten, sieht der Bundeswehrverband nicht: „Bei den zu erwartenden Zahlen kann die Einsatzfähigkeit der Streitkräfte bestimmt weiterhin sichergestellt werden“, beruhigt Roeder. Bei Auslandseinsätzen allerdings kann das Verteidigungsministerium frei entscheiden, ob es das Gesetz anwenden will. Auch dies monieren Grüne und Bundeswehrverband. „Gerade bei Auslandseinsätzen ist es besonders wichtig, dass Frauen eine Ansprechpartnerin in Person einer Gleichstellungsbeauftragten haben“, meint Katja Roeder. Gerade bei solchen Einsätzen hätten Kommandeure bisher schon Ansprechpartnerinnen eingesetzt.

Weibliche Berufsbezeichnungen, die laut Gesetz benutzt werden können, werden von den Soldatinnen übrigens strikt abgelehnt. In einer Umfrage sprachen sich 98 Prozent gegen „Hauptfrauen“ und „Feldwebelinnen“ aus. Der Grund: Angst vor dem Spott – der Männer.

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