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Eine Frage der Zeit

Der vermeintliche Autobahn-Drängler Rolf F. geht in Berufung und hofft auf Freispruch. Vermutlich ohne Erfolg

Für Rolf F. geht es um viel. Im Februar hat das Amtsgericht Karlsruhe den 35-jährigen Daimler-Testfahrer zu 18 Monaten Haft ohne Bewährung verurteilt. Er soll der Autobahndrängler sein, der im Juli vorigen Jahres den Tod von Jasmin A. und ihrer zweijährigen Tochter verursacht hat. Unfallzeugen hatten einen dunklen Mercedes mit auffälliger Auspuffanlage beobachtet, nach umfangreicher Fahndung wurde Rolf F. ermittelt. DaimlerChrysler kündigte ihm daraufhin den Vertrag, ab August ist F. arbeitslos. Doch der Ingenieur, von seinen Kollegen „Turbo-Rolf“ genannt, hofft weiter auf Freispruch und Wiedereinstellung. Gestern begann vor dem Karlsruher Landgericht die Berufungsverhandlung.

F. erschien mit einem neuen Anwalt, dem renommierten Stuttgarter Strafverteidiger Georg Prasser, bekannt auch als Vizepräsident des Deutschen Anwaltvereins. Prasser sagte, das Urteil des Amtsgerichts sei „fehlerhaft“: F. habe zum Tatzeitpunkt realistischerweise gar nicht am Tatort sein können, das Gericht habe eine zu schnelle Fahrweise unterstellt.

Auf solche Überlegungen wollte sich der Anwalt der Hinterbliebenen, Paul Kleiser, gar nicht erst einlassen. Mit eindringlicher Stimme wandte er sich an den Angeklagten: „Sind Sie bereit zu sagen, Sie sind’s gewesen?“. Sofort ergänzte der Vorsitzende Richter Harald Kiwull, es sei durchaus eine mildere Strafe möglich, falls F. ein Geständnis ablege. Doch Rolf F. blieb dabei. „Ich bin mir hundert Prozent sicher, dass ich niemand von der Straße gedrängt habe.“ Nun muss der Prozess mit allen Zeugenaussagen an acht Tagen neu aufgerollt werden.

F. zeigte sich diesmal deutlich emotionaler als vor dem Amtsgericht. Als Richter Kiwull ihn fragte, wie er den Druck der Öffentlichkeit empfunden hat, begann er zu weinen und schlug die Hände vors Gesicht. „Das letzte Jahr war die Hölle, die Medien haben mich, meine Freundin und meine Eltern verfolgt und gehetzt.“ Er sei nervlich am Ende.

Doch als das Gericht mit der Beweisaufnahme begann, war Ingenieur Rolf F. wieder einer, der sich an alles ganz genau erinnerte und für alles eine Erklärung hatte. Richter Kiwull zeigte allerdings schnell, dass er das eher verdächtig finde, vor allem weil F. bei der Polizei zunächst einen anderen Zeitablauf geschildert hatte. Ein Freispruch war daher gestern nicht abzusehen. Das Urteil soll am 29. Juli verkündet werden. CHRISTIAN RATH

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