: Aus für Carla Del Ponte in Arusha
Heute wird der UNO-Sicherheitsrat die Schweizer Juristin anhören und wahrscheinlich beschließen, ihre Tätigkeit als Chefanklägerin beim Ruanda-Tribunal zu beenden. Dies entspricht einem Vorschlag von Kofi Annan auf Druck der USA
aus Genf ANDREAS ZUMACH
Die Würfel bei der UNO sind gefallen. Möglicherweise bereits in den nächsten Tagen wird der Sicherheitsrat in New York entscheiden, das am 15. September auslaufende Mandat von Carla Del Ponto als Chefanklägerin beim UNO-Kriegsverbrechertribunals für Ruanda im tansanischen Arusha nicht mehr zu verlängern. Die Schweizer Juristin soll nur noch den entsprechenden Posten beim Den Haager Jugoslawien-Tribunal weiterführen. Auf diese Entscheidung deuten inzwischen alle Anzeichen aus dem Sicherheitsrat, der Del Ponte für heute zu einer Sitzung hinter verschlossenen Türen eingeladen hat.
In New York wird nicht ausgeschlossen, dass Del Ponte bei einer Abberufung aus Arusha auch ihren Posten in Den Hag aufgibt. Bis Mitte letzter Woche schien die Situtation noch offen. Lediglich die USA und Großbritannien hatten sich bis dahin dafür ausgesprochen, Del Ponte in Arusha durch eine andere Person zu ersetzen (siehe taz vom 1. August). Die nichtständigen Sicherheitsratsmitglieder Deutschland und Spanien plädierten hingegen dafür, die Schweizerin auf dem Posten zu belassen.
Doch das gilt nicht mehr, seitdem UNO-Generalsekretär Kofi Annan den Sicherheitsrat in einem Schreiben ganz offiziell vorschlug, die „große Last“ der beiden Chefanklägerposten in Den Haag und Arusha künftig auf zwei Schultern zu verteilen. Damit sei „eine neue Lage eingetreten“. Mit dieser diplomatischen Formulierung deutete eine Sprecherin des Außenministeriums in Berlin gegenüber der taz an, dass Del Ponte bei ihrem Bemühen, sich den Posten in Arusha zu erhalten, nicht mehr mit Unterstützung der Bundesregierung rechnen kann. Zudem wird in Berlin jetzt darauf hingewiesen, die Solidaritätsbekundung für die Chefanklägerin sei ja „nicht im Zusammenhang mit der aktuellen Debatte über eine Verlängerung ihres Mandats“ erfolgt, sondern „bereits vor über sechs Wochen“ anlässlich eines Besuchs Del Pontes in der bundesdeutschen Hauptstadt.
Der Regierung Schröder/Fischer ist die Angelegenheit nicht wichtig genug für eine neue Auseinandersetzung mit den USA im Sicherheitsrat. Priorität hat die Reparatur der Schäden, die die Auseinandersetzung über den Irakkrieg im deutsch-amerikanischen Verhältnis verursacht hat. Auch von spanischen Diplomaten wird die frühere Unterstützung für Del Ponte seit dem Brief des Generalsekretärs an den Sicherheitsrat deutlich relativiert.
Die drei ständigen Sicherheitsratsmitglieder Frankreich, China und Russland haben öffentlich bislang keine Position bezogen. Informell ist zu erfahren, dass sich alle drei Staaten dem Vorschlag Annans anschließen werden. Schließlich gibt es auch bei den drei afrikanischen Ratsmitgliedern Kamerun, Angola und Neuguinea sowie bei Mexiko, Bulgarien oder Pakistan keine Anzeichen für ernsthaften Widerspruch gegen Annans Vorschlag der Ämtertrennung.
In der Sache ist dieser Vorschlag sehr einleuchtend. Bei beiden Tribunalen liegt weiterhin mehr als genug wichtige Arbeit an für je einen/e Chefankläger/in. Zu jedem Zeitpunkt der letzten acht Jahre, in denen in Arusha wie in Den Haag noch mehr unerledigte Aufgaben anstanden als heute, wäre der Vorschlag der Ämtertrennung allerdings noch einleuchtender gewesen. Inzwischen hat jedoch die am Internationalen Strafgerichtshof entzündete Ablehnung der Bush-Administration gegen jede Form internationaler Gerichtsbarkeit, die sie nicht kontrollieren kann, auch auf die beiden Tribunale übergegriffen. Washington möchte sie so schnell wie möglich abwickeln.
Dazu kommt, dass Del Ponte mit ihrer – von ihrem Mandat her völlig gerechtfertigten – Anklage auch gegen einige Mitglieder der heutigen Regierung und Armee Ruandas, die nach dem Völkermord die Macht ergriff, einen inzwischen wichtigen Verbündeten der USA in der Region verärgert hat. UNO-Generalsekretär Annan gab dem Druck der Bush-Administration letzte Woche schließlich nach. Del Ponte erleichterte ihm diesen Schritt allerdings durch ihr eigenes widersprüchliches Verhalten. Ihre Argumentation, sie müsse ihre Posten bei beiden Tribunalen behalten, um dort die Kontinuität der Arbeit zu gewährleisten, überzeugte im Büro des Generalsekretärs nicht mehr, nachdem Del Ponte sich Anfang des Jahres ohne Absprache mit Annan öffentlich als Kandidatin für das Amt der Chefanklägerin beim Internationalen Strafgerichtshof ins Spiel gebracht hatte. Über dieses ehrgeizige Vorpreschen der Schweizerin war der UNO-Generalsekretär seinerzeit höchst verärgert.
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