: Chronique scandaleuse
Heute muss Innenstaatsrat Walter Wellinghausen in einer Sonder-Ausschusssitzung Rede und Antwort zu seinen zahlreichen Affären stehen. In Sachen Nebentätigkeiten für die Münchner Aktiengesellschaft Isar II wird er erneut schwer belastet
von PETER AHRENS
Heute wird eine gute Klimaanlage im Kaisersaal des Rathauses notwendig sein. Walter Wellinghausen, affärenbelastet und politisch schwer unter Druck, dürfte auf der Sondersitzung des Innenausschusses allerdings dennoch ins Schwitzen geraten. Der Staatsrat der Innenbehörde muss ab 17 Uhr Rede und Antwort stehen, nachdem er wochenlang angeblich unerreichbar in die Wälder von Montana zum Urlauben abgetaucht war. Es sind mindestens vier große Themenkomplexe, die sich um die Person Wellinghausen ranken und die heute angesprochen werden.
Im Mittelpunkt stehen zweifellos die Nebentätigkeiten, die der Staatsrat trotz seines politischen Amtes ausgeübt haben soll. So war Wellinghausen erst kurz vor seinem Amtsantritt in der Innenbehörde zum Vorstand der Münchner Aktiengesellschaft Isar II berufen worden. Wellinghausen hatte stets beteuert, dass er in diesem Amt nie tätig geworden sei und sich im Jahr 2001 unmittelbar nach seiner Ernennung zum Staatsrat aus der AG zurückgezogen habe. Das Abendblatt, das seit Wochen offenbar gezielt aus dem Apparat mit Informationen über Wellinghausen versorgt wird, berichtete allerdings erst am Samstag, dass der Staatsrat noch 2002 Zahlungen von Isar II erhalten hat. Bekannt war bisher nur, dass er für seine Arbeit für Isar II monatlich 6.000 Euro fürs Jahr 2001 kassiert hatte.
Monatliche Überweisungen in Höhe von 4.600 Euro hat der frühere SPD-Mann auch von einer Hamburger Radiologenpraxis erhalten, ausgewiesen als „Honorar Geschäftsführung“. Wellinghausens Version: Dies sei Geld für anwaltliche Nacharbeiten gewesen, da der Radiologe ein früherer Mandant in Wellinghausens Kanzlei gewesen sei. Solches Abarbeiten zu Leistungen, die vor dem Amtsantritt erbracht worden seien, bezeichnete Wellinghausen als üblich: Seine eigentliche anwaltliche Tätigkeit für den Radiologen ruhe jedoch, seitdem er Staatsrat ist. Der Radiologe hatte dagegen ausgesagt, regelmäßig mit dem Staatsrat aus geschäftlichen Gründen telefoniert zu haben. Außerdem gingen mehrere Faxe aus der Innenbehörde an die Praxis.
Bereits seit Jahresbeginn schwelt die Affäre um den angeblichen Geheimnisverrat der Hamburger SPD. Die habe vertrauliche Informationen aus der Innenbehörde erhalten und an die Presse weitergegeben. Einzelheiten aus den dienstlichen Akten dazu waren aus der Innenbehörde an die Öffentlichkeit lanciert worden. Der SPD-Innenpolitiker Michael Neumann sieht darin den Versuch, „den Eindruck zu erwecken, die SPD habe die Innenbehörde ausspioniert“. Wellinghausen trage dafür die Verantwortung.
Neueste Zutat im Wellinghausenschen Affärengeflecht ist der Fall des Polizeibeamten Olaf A., aus den Zeiten des Polizeiskandals ebenfalls ein Ex-Mandant des heutigen Staatsrats. A. war damals daran beteiligt, als der Journalist Oliver Neß von Beamten verprügelt worden war. Aus dem Polizeidienst entfernt werden sollte er allerdings wegen anderer Eskapaden. Auf einen Vermerk Wellinghausens vom März dieses Jahres hin wurden die Entlassungspläne fallen gelassen: Olaf A. versieht bei allerdings nun geringeren Bezügen weiterhin seinen Dienst. Es ist unklar, ob der Staatsrat auf Drängen von Innensenator Ronald Schill tätig wurde. Der hatte ausgesagt, A. sei bei ihm in der Bürgersprechstunde gewesen, daraufhin habe sich der Senator des Falls persönlich angenommen.
Wellinghausens Mandantschaften aus seiner Zeit als Anwalt hatten den Staatsrat bereits zu Jahresbeginn 2002 unter Beschuss gebracht. So hatte Wellinghausen auch mehrfach Klientel aus dem Umfeld der organisierten Kriminalität verteidigt. SPD und GAL witterten daraufhin mögliche Interessenkollisionen und Befangenheiten bei dem Neu-Staatsrat. Die Behördenleitung hatte das stets zurückgewiesen.
Die SPD geht angesichts dieser Fülle von Ungereimtheiten und Widersprüchlichkeiten davon aus, dass eine Entlassung Wellinghausens spätestens erfolgt, wenn Bürgermeister Ole von Beust (CDU) in der kommenden Woche aus dem Urlaub zurückgekehrt ist. Und auch in der Koalition wird mittlerweile bereits über eine Nachfolge spekuliert: Schills Büroleiter, der Abgeordnete Dirk Nockemann, wird als möglicher Staatsratkandidat gehandelt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen