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Studenten gewinnen vor Gericht

Die nordrhein-westfälischen Studiengebühren sind teilweise verfassungswidrig, urteilt das Kölner Verwaltungsgericht: Studentisches Aktionsbündnis gewinnt drei Musterklagen. Berufung möglich

AUS KÖLN THOMAS SPOLERT

Vier Musterklagen gegen die Umsetzung des nordrhein-westfälischen Studienkonten-Gesetzes hat das Kölner Verwaltungsgericht entschieden. Dabei gaben die Richter zweimal den studentischen Klägern Recht, einmal der Fachhochschule Köln. Im vierten Fall äußerten sie verfassungsrechtliche Bedenken. Jedes Mal ging es um die Frage, wie lange ein Student in NRW studieren darf, bevor er Studiengebühren zahlen muss. Unterstützt wurden die Studenten vom Aktionsbündnis gegen Studiengebühren (ABS).

In zwei Fällen, die positiv für die Studenten entschieden wurden, ging es um den so genannten privilegierten Wechsel. Das Gesetz sieht eine Orientierungsphase für Studierende von drei Semestern vor. Wer jedoch vor dem Sommersemester 2004 sein Studienfach gewechselt hat, bekommt im Gegensatz zu denen, die später wechseln, kein neues Studienkonto. Die Richter sehen hierbei den Gleichbehandlungsgrundsatz verletzt. In einem Eilentscheid hatte das Kölner Verwaltungsgericht bereits im April gegen die Universität Köln entschieden.

In einer dritten Musterklage, die die Kölner Richter negativ beschieden, ging es um die Bonusregelung für Kindererziehung. Roswitha Keck-Bock hatte in den 80er Jahren bereits ein Studium begonnen, jedoch nicht abgeschlossen. Die vierfache Mutter studiert derzeit Sozialarbeit an der Kölner Fachhochschule. Obwohl sie vier Kinder hat, gewährt ihr die FH keinen Bonus und verlangt Studiengebühren. „An jeder anderen Uni bekäme ich diesen Bonus“, ärgert sich Keck-Bock. Nach Ansicht der Richter hätte die Studienzeit ausreichen müssen und entschied gegen die angehende Sozialarbeiterin. „Wir werden vor dem OVG klagen“, kündigt Klemens Himpele vom ABS an.

Aus dessen Sicht ist die vierte Musterklage zum Thema Zweitstudium die Interessanteste. Nach einem achtsemestrigen Studium hatte eine Studentin ein Masterstudium an der FH Köln angeschlossen. Da sie ihren Abschluss vor dem Sommersemester 2004 gemacht hat, hat sie keinen Anspruch auf das Restguthaben von ihrem ersten Studiengang. Hätte sie länger studiert und im Sommersemester 2004 abgeschlossen, müsste sie keine Studiengebühren bezahlen. „Hier wird jemand für schnelles Studieren bestraft“, so Himpele vom ABS. Die Verwaltungsrichter äußerten erhebliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit dieser Regelung. Himpele freut sich: „Das ist ein Fall für das Verfassungsgericht. Dann wird das NRW-Studienkonten-Gesetz endlich auf seine Verfassungsmäßigkeit geprüft.“ In allen Fällen wurde Berufung zugelassen.

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