: BVG soll selber kontrollieren
Fahrgastverband und Personalrat kritisieren Auslagerung der BVG-Kontrollen an Privatfirmen. Übergriffe systemimmanent. BVG drängt: Kontrolleure sollen 700.000 Schwarzfahrer erwischen
von RICHARD ROTHER
Die Übertragung von Fahrgastkontrollen der BVG auf private Sicherheitsfirmen haben der Fahrgastverband Igeb und der Personalrat der BVG heftig kristisiert. Die Verkehrsbetriebe hingegen kündigten an, die Kontrollen noch auszuweiten.
Allein die Ausgestaltung der Verträge mit den Sicherheitsfirmen erzeuge einen „kopfgeldähnlichen Erfolgsdruck“, ist Igeb-Vorstandsmitglied Christfried Tschepe überzeugt. Übergriffe durch Kontrolleure und rüdes Verhalten (taz berichtete) seien insofern „systemimmanent“.
Tschepe rät der BVG, Kontrollen wieder von betriebseigenem Personal durchführen zu lassen. Dies habe zwar in der Vergangenheit weniger „erfolgreich“ gearbeitet als etwa bei der S-Bahn, aber es habe auch „nur zu Tageszeiten wie Beamte gearbeitet“. Die S-Bahn habe mit eigenen Kontrolleuren gute Erfahrungen gemacht. Zudem müsse an Automaten viel deutlicher gemacht werden, dass Fahrscheine entwertet werden müssen. „Gelegenheitsfahrer und Touristen blicken da kaum durch.“
Auch Hans-Jürgen Hasenbank vom Gesamtpersonalrat der BVG befürwortet die Rückverlagerung ins eigene Unternehmen. „Dafür brauchten wir aber mehr Personal.“ Schließlich seien die Kontrollen auch aufgrund einer Schwarzfahrerquote von bis zu 10 Prozent massiv ausgeweitet worden. Das Unternehmen müsse aber, so eine Hauptforderung der Politik, auf seine Einnahmen achten. „Das eigene Personal reichte für die Ausweitung der Kontrollen nicht.“
Die BVG setzt derweil weiter auf private Kontrolleure. Man erwarte laut Vertrag, dass durch die beauftragten Sicherheitsfirmen in diesem Jahr 500.000 Schwarzfahrer festgestellt werden, so BVG-Vorstand Hans Heino Dubbenkropp. Im kommenden Jahr sollen es bereits 700.000 sein. Ein von vielen vermutetes „Kopfgeld“ für erwischte Schwarzfahrer gebe es aber nicht.
Dass die Kontrollfirma Mitarbeitern bei zu wenig erwischten Schwarzfahrern mit Entlassung drohe, könne er sich nicht vorstellen, so Dubbenkropp weiter in einem Interview. „Das passiert wahrscheinlich nur, wenn ein Kontrolleur nicht genug getan hat. Und um das festzustellen, muss natürlich ein gewisser Richtwert festgelegt werden.“
Laut Medienberichten gab ein Kontrolleur zu Protokoll, die BVG würde pro erwischtem Schwarzfahrer 20 Euro an die Sicherheitsfirma zahlen. Die einzelnen Kontrolleure würden mit Freizeit belohnt: Wer 16 Schwarzfahrer an einem Tag erwischt habe, bekomme frei und werde für volle 9 Stunden bezahlt, egal wie lange er dafür gebraucht habe. „Wer weniger als 12 pro Tag erwischt, wird entlassen.“
Fahrgastverband wie BVG-Personalrat betonten, dass es unter den Mitarbeitern der Sicherheitsfirmen nicht nur schwarze Schafe gebe. In Einzelfällen hätten sich Kontrolleure auch kulant gezeigt, so Igeb-Vorstand Tschepe. Betriebsrat Hasenkamp betont zudem, dass die Aggressivität gegenüber den Kontrolleuren zugenommen habe.
Touristen und Berliner berichteten in den vergangenen Wochen hingegen häufig von umgekehrten Vorfällen. Die Zahl der Beschwerden ausländischer Touristen hat sich laut Berlin Tourismus Marketing GmbH (BTM) verzehnfacht. Für deren Chef Hanns Peter Nerger sind viele private Kontrolleure „charakterlich völlig überfordert“. Touristen fühlten sich gezielt abgezockt. Eine Masche ist dabei offenbar, Stadtbesucher, die aus Unwissenheit ihren eben gezogenen Fahrschein nicht entwerten, umgehend zu kontrollieren, statt sie zunächst einmal auf die Pflicht zur Entwertung hinzuweisen.
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