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Veroneser Idylle mit kleinen Fehlern

Bei ihrem Treffen loben Italiens Premier Silvio Berlusconi und Bundeskanzler Gerhard Schröder die guten bilateralen Beziehungen. Einen gemeinsamen Opernbesuch lässt Berlusconi jedoch platzen – angeblich aus Angst vor Demonstranten

aus Rom MICHAEL BRAUN

Die Kapo-Krise zwischen Deutschland und Italien ist seit dem Wochenende offiziell beigelegt. Bei ihrem Arbeitsfrühstück in Verona verfügten Kanzler Gerhard Schröder und Ministerpräsident Silvio Berlusconi am Samstag, dass die bilateralen Beziehungen über die Alpen hinweg einfach „hervorragend“ sind. Und zumindest wenn man Berlusconi glauben darf, hätte Schröder gleich gar nicht kommen müssen: Nein, die Beziehungen zwischen den beiden Ländern „können sich nicht verbessern, weil sie sich nie verschlechtert haben“.

Schröder dagegen hat den Eklat im Europaparlament um Berlusconis Kapo-Vergleich und die folgenden Ausfälle des Tourismus-Staatssekretärs Stefano Stefani gegen rülpsende Deutsche – die den Kanzler seinen Adria-Urlaub kosteten – noch nicht ganz vergessen. Er sprach in der das Treffen abschließenden Pressekonferenz von vergangenen „Irritationen“, die jedoch weder die persönlichen noch die politischen bilateralen Beziehungen beschädigt hätten.

Trotz reichlich Lächeln und Händeschütteln war aber die Veroneser Idylle einigermaßen brüchig. Das zeigte sich schon am seltsamen Ablauf des Operngipfels in zwei Akten, der auf eine Initiative nicht des italienischen Regierungschefs, sondern Romano Prodis zurückging: Der EU-Kommissionspräsident hatte die Einladung an Schröder im Juli ausgesprochen, um das deutsch-italienische Verhältnis wieder zu flicken – und erst in einem zweiten Moment wurde die Teilnahme auch Berlusconis vereinbart. Der aber ließ am Freitag Abend Prodi und Schröder beim „Carmen“-Genuss allein. Er habe sich, „aus Liebe zu Verona und zur Arena“, gezwungen gesehen, auf die Oper zu verzichten, da organisierte und mit Trillerpfeifen bewaffnete Störer geplant hätten, die ganze Aufführung platzen zu lassen, begründete der Ministerpräsident seine Absage, für die er als Quelle Geheimdienstinformationen nannte.

Wahr ist daran nur, dass sich ein Grüppchen von 20 bis 30 Protestierern außerhalb der Arena eingefunden hatte, sicher abgeschirmt von einem großen Polizeiaufgebot. In Wirklichkeit dürften Berlusconi andere Sorgen umgetrieben haben: Er fürchtete den direkten Publikumsvergleich mit Romano Prodi, der nicht nur EU-Kommissionspräsident ist, sondern mit größter Wahrscheinlichkeit auch der Herausforderer Berlusconis bei den nächsten Parlamentswahlen. Applaus für Prodi, Pfiffe für Berlusconi – das wäre in der Tat peinlich gewesen.

Dem Regierungschef blieb nichts anderes, als Ehefrau Veronica zu nötigen, „ihr wunderschönes Kleid im Schrank“ und die Szene dem Konkurrenten zu überlassen, der auch gleich mit Schröder ein wohltuendes Bad in der Menge nahm. Berlusconi dagegen rächte sich, indem er gegen die Opposition keilte, auch wenn sie nur in seinen eigenen albernen Imaginationen Schlimmes verbrochen hatte: Die virtuelle Trillerpfeifenattacke zeige wieder mal, dass „die Opposition in Italien undemokratisch und antiliberal ist“. Prodi erwiderte, er habe „nie gedacht, dass Pfiffe antidemokratisch sind, und ich habe in der Vergangenheit reichlich Pfiffe einstecken müssen“ – eine Anspielung auf die realen, vom Berlusconi-Lager gegen Prodi orchestrierten Pfeifkonzerte bei diversen Großveranstaltungen in den Jahren, in denen Prodi Italiens Premier war.

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