Türkische Spediteure liefern nicht mehr

Nach der Ermordung einer türkischen Geisel im Irak wird der Transport von Waren für US-Truppen eingestellt

ISTANBUL taz ■ Die Ermordung einer türkischen Geisel im Irak am Montag hat zu ersten Konsequenzen geführt. Der Verband der Transportunternehmer erklärte am Montagabend, die Lieferungen an US-Truppen umgehend einzustellen, da die Sicherheit für die Fahrer nicht gewährleistet sei. Der Unternehmerverband hofft so, das Leben von zwei weiteren türkischen Lkw-Fahrern, die ebenfalls am letzten Wochenende im Irak gekidnappt wurden, zu retten.

In einem Video-Tape, das die Entführer an den Sender al-Dschasira schickten, drohten sie mit der Ermordung der Entführten innerhalb von 48 Stunden, falls ihre Firmen sich nicht aus dem Irak zurückziehen. Die türkische Regierung hielt sich mit Kommentaren gestern zurück. Außenminister Abdullah Gül sagte lediglich, man arbeite an der Rettung der Geiseln.

Der Ermordete Mete Yüce war ein arbeitsloser Installateur aus Ankara. Sein Arbeitgeber war der türkische Tepe-Konzern, der als Subunternehmer für eine amerikanische Firma arbeitet und US-Truppen mit Lebensmitteln und Benzin versorgt. Türkische Firmen sind im Irak in großem Stil engagiert. Rund 1.000 Firmen haben in diesem Jahr bereits Waren im Wert von 1,4 Milliarden US-Dollar in den Irak gebracht.

Rund 2.000 türkische Lkws fahren täglich in den Irak, um das Land mit Benzin, Lebensmitteln und sonstigen Konsumgütern zu versorgen. Nach Angaben von Cahit Soysal, dem Vorsitzenden des Transportunternehmer-Verbandes, sind davon höchstens zehn Prozent direkte Lieferungen an die US-Armee. „Ungefähr 200 bis 300 Trucks, die rund einem Dutzend Unternehmen gehören, waren mit Nachschub für die US-Truppen beschäftigt. Diese Trucks werden ab sofort nicht mehr fahren“, erklärte Soysal. Zuvor hatten die beiden noch entführten Fahrer per Video ihre Firmen aufgefordert, nicht mehr im Irak zu arbeiten. Vor dem jetzt ermordeten Yüce und den beiden noch entführten Lkw-Fahrern waren zehn Fahrer als Geiseln genommen, später aber freigelassen worden.

Das Geschäft mit dem Irak ist für die Türkei zu einem wichtigen Wirtschaftsfaktor geworden. Rund 50.000 Jobs sind mit dem Irakgeschäft verknüpft. Von allen Nachbarländern des Iraks ist die Türkei als einziges in der Lage, schnell und in großen Mengen Nahrungsmittel und Gebrauchsgüter für den täglichen Bedarf aus eigener Produktion zu liefern. Das gilt vor allem für Unternehmen aus dem kurdischen Teil des Landes.

Schon vor dem Krieg hatten tausende kurdische Kleinstunternehmer ihren Lebensunterhalt als Lkw-Fahrer mit Öltransporten aus Mossul und Kirkuk verdient. Auch jetzt sehen die meisten Unternehmen der Region nur im Geschäft mit dem Irak und Syrien eine Chance, die verheerende wirtschaftliche Lage im Südosten der Türkei zu verbessern. JÜRGEN GOTTSCHLICH