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„Das geht nicht!“

Lutz Tillmanns, der Geschäftsführer des Deutschen Presserates, sieht durch den eingeschränkten Zugang zu Stasi-Akten die Pressefreiheit gefährdet

INTERVIEW STEFFEN GRIMBERG

Nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts über den Umgang mit den Stasi-Akten von Altbundeskanzler Helmut Kohl gelten neue Spielregeln beim Umgang mit dem Stasi-Erbe (taz vom 4. 8.). Fazit: Die Medien sind die eigentlichen Verlierer des Urteils. Und wollen das nicht auf sich sitzen lassen.

taz: Herr Tillmanns, warum ist das aktuelle Urteil in Sachen Kohl so alarmierend?

Lutz Tillmanns: Wenn schon der prominenteste Fall versiegelt wurde, werden alle anderen logischerweise erst recht verschlossen bleiben. Aber das genau wollte das Gesetz nicht.

Aber das Gericht argumentiert doch mit dem Opferschutz. Das ist doch eine ehrenwerte Sache, gerade auch für den Presserat.

Natürlich. Nur darf das doch nicht eine pauschale Materialsperre nach sich ziehen. Das wäre Informationsvorenthaltung unter Berufung auf ein vermeintliches Opferschutzargument. Außerdem gewährleisten die Medien durch Beachtung des Pressekodexes und der Gesetze doch ihrerseits Daten- und Opferschutz und die Persönlichkeitsrechte aller Beteiligten.

Beteiligte, die sich bei Verstößen beim Presserat beschweren können. Wie sieht diese Bilanz denn aktuell aus?

Es gibt hierzu insgesamt auffallend wenig Beschwerden, die meisten stammen aus der ersten Hälfte der Neunzigerjahre. In letzter Zeit gab es eigentlich keine Probleme mehr.

Das aktuelle Urteil unterscheidet zwischen wissenschaftlicher Forschung, die etwas mehr Zugang zu den Akten haben soll, und einer restriktiveren Praxis bei den Medien.

Das macht aber überhaupt keinen Sinn und ist so im Wortlaut des Gesetzes gar nicht vorgesehen. Denn auch in der Wissenschaft werden die Ergebnisse doch veröffentlicht. Nehmen Sie die aktuelle ARD-Studie zum Einfluss der Stasi auf die Sender in Westdeutschland. Das ist eine wissenschaftliche Untersuchung, wurde der Presse vorgestellt – und hatte ein entsprechendes Medienecho.

Welche Auswirkungen hat das Urteil denn ganz konkret?

Jedes Jahr erhält die Stasi-Unterlagen-Behörde tausende von Anfragen von Seiten der Medien. Ein hoher Anteil davon, vermute ich, wäre jetzt nicht mehr realisierbar.

Behördenchefin Marianne Birthler sagt selbst, die jetzt vom Gericht gesetzten Grenzen bei der Herausgabe und Nutzung von Unterlagen stimmten mit dem Wortlaut des Gesetzes teilweise nicht überein.

Das ist ein echtes Dilemma. Die Behörde selbst kann als Staatsbehörde keine Verfassungsbeschwerde einlegen. Ein anderes Gericht könnte eine Normenkontrollklage initiieren. Oder der Gesetzgeber kann noch mal ran, aber nach den Erfahrungen bei der letzten Gesetzesnovelle 2002 halte ich das für ausgeschlossen.

Was bleibt dann übrig?

Eine Redaktion, ein konkreter Journalist kann mit einem ganz konkreten Fall dagegen vorgehen – muss dann aber durch alle Instanzen bis hin zum Bundesverfassungsgericht.

Könnte der Presserat stellvertretend klagen?

Nein, das geht nicht. Wir würden aber ein solches Projekt – soweit für uns möglich – unterstützen. Schließlich geht es um die Verteidigung der Pressefreiheit.

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