piwik no script img

Montags ist der Marktplatz…

… nicht ganz leer. Gut 200 Bremer Montagsdemonstranten erhalten lediglich moralische Unterstützung von Gewerkschaften und Parteien für ihren Protest gegen den Sozialabbau. Mitdemonstrieren will aber niemand. Rechte nur ein Splittergrüppchen

Bremen taz ■ „Wir haben drei Kinder zu Hause und für die haben wir gespart.“ Der Zorn hebt ihr die Stimme. „Wir haben Angst, dass wir denen die Ausbildung nicht mehr bezahlen können“. Dank Hartz IV. Aus Verden ist die im öffentlichen Dienst Beschäftigte mit ihrem Mann angereist, mit gut 200 Gleichgesinnten steht sie jetzt im Tröpfelregen auf dem Bremer Marktplatz. Es ist Montag, und montags wird demonstriert. „Die sind im Osten viel konsequenter“, sagt eine: „Das finde ich gut.“

Vorne bemüht sich ein Sprecher um Abgrenzung. Zur „Montagsdemonstration“, eine Stunde später, haben auch am rechten politischen Rand vagabundierende Gestalten aufgerufen. „Was diese Rechten wollen, hat mit Montagsdemonstration nicht das Geringste zu tun“, brüllt der Sprecher. Das „Bündnis gegen Hartz IV“ tritt ohne Verstärkeranlage an.

Nächste Woche wollen sie noch mehr sein. „Wir gehen davon aus, dass die Gewerkschaften dann auch mit dabei sind“, sagt Axel Troost von der Wahlalternative Arbeit & soziale Gerechtigkeit (WASG). Die jedoch winken ab. „Auf gar keinen Fall“ werde man zu den Demonstrationen aufrufen, stellt der Bremer Verdi-Geschäftsführer Wolfgang Schäfer klar. Der moralischen Unterstützung könnten sich die Protestler, die sich gegen die sozialen Kürzungen wenden, zwar sicher sein. „Sie unterliegen aber insofern einem Irrtum, wenn sie glauben, die Gesetze zurückdrehen zu können“, sagt Schäfer.

Ähnlich reserviert die DGB-Bezirksvorsitzende Helga Ziegert, zugleich SPD-Bürgerschaftsabgeordnete. Der Vorstand des Bremer DGB werde erst am 30. August über die Proteste diskutieren. Und es könne gut sein, dass man sich auf die jüngst angelaufene eigene Unterschriftensammlung in den Betrieben beschränken werde. Ziegerts Parteikollege und sozialpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion, Frank Pietrzok, kann den Protest „nachvollziehen“. Hartz IV kippen aber, sagt er, „ist nicht“.

„Keine offizielle Unterstützung“ signalisiert auch die Grünen-Sozialpolitikerin und Fraktionsvorsitzende Karoline Linnert. Eine pauschale Ablehnung der Hartz-Gesetze, wie sie sich die DemonstrantInnen auf die Fahnen geschrieben haben, „ist mit mir nicht zu machen“, stellt sie klar. Trotzdem sei der Druck von unten gut. Denn die Demonstrationen trügen mit dazu bei, dass sich die Menschen endlich mit der sozialpolitischen Wirklichkeit auseinander setzten – nach jahrelangen Hetzkampagnen gegen Florida-Rolfs und vermeintliche Faulpelze. Linnert: „Das begrüße ich.“

An bestimmten Punkten müsse Hartz IV zweifelsohne nachgebessert werden, sagt die Grüne. Dazu rechnet sie vor allem die Zumutbarkeitsregelungen für Arbeitslose, wonach der Staat künftig „jeden zu jeder Arbeit zwingen“ und als Sanktion sogar noch das Sozialgeld (derzeit: Sozialhilfe) streichen könne. „Das ist mit dem Sozialstaatsgebot zum Teil nicht vereinbar“, kritisiert Linnert.

Gegen diese Regelungen, die im Übrigen allein der CDU zu verdanken seien, sei die so genannte Sparbuch-Debatte, welche viele der Demonstranten umtreibe, schlicht „platt“, sagt Linnert. EmpfängerInnen von Sozial- und Arbeitslosenhilfe hätten schon bisher ihr eigenes Vermögen einbringen müssen – „und das ist auch richtig so“.

Das Ehepaar aus Verden sieht das anders. Gerade erst seien 30 seiner Kollegen in den Vorruhestand versetzt worden, erzählt der Maschinenbauer. „Wenn ich arbeitslos werde, können wir das ersparte Geld aufessen.“

Die zwei Hand voll „Aufrechte Gänger“, die sich, Ex-Schillianer Mathias Henkel in der Mitte, am Schluss noch einfinden, tun sich mit ihrer Kundgebung in Anbetracht der Übermacht von links leidlich schwer. „Das ist ein bisschen schwierig hier“, charakterisiert ein „Aufrechter“ die Situation, „weil sich da einige Leute einklinken, die da nicht reingehören.“ Armin Simon

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen