piwik no script img

Der Quotenmensch

Das Café Exil bietet Flüchtlingen unbürokratische und unabhängige Hilfe. Jetzt ist die Anlaufstelle von der Schließung bedroht

„Die Abschiebung nach Serbien bedeutet eine weitere schwere Traumatisierung“

von Sandra Pingel

Seit 1998 lebt Frau M. in Hamburg. Aus ihrer serbischen Heimat musste sie fliehen. Bis heute leidet sie unter den traumatischen Erlebnissen des Kosovokrieges. Seit sechs Jahren lebt sie außerdem ständig mit der Bedrohung, wieder in ihre Heimat abgeschoben zu werden. Alle zwei Wochen muss sie ihre Duldung bei der Ausländerbehörde in der Amsinckstraße verlängern lassen. Aussicht auf ein dauerhaftes Asyl gibt es für sie zur Zeit nicht.

Unterstützung findet sie im „Café Exil“, das direkt gegenüber der Ausländerbehörde liegt. Hier kümmern sich an fünf Tagen in der Woche ehrenamtliche Mitarbeiter um die Flüchtlinge. Sie beraten die Hilfesuchenden über den Umgang mit Aufenthalts- und Ausländergesetzen, stellen Kontakt zu Anwälten her und begleiten sie in die Behörde.

Dort sei es schon öfter zu Auseinandersetzungen gekommen, berichtet der 33-jährige Sozialpädagoge Burkhard Werner, einer der rund dreißig Ehrenamtlichen. Ein anderer, der Lehrer im Ruhestand ist, wurde von Wachleuten schon aus der Behörde geschmissen. Dabei hat jeder Flüchtling bei Behördengängen das Recht auf einen Beistand.

Zehn bis dreißig Flüchtlinge kommen seit 1995 jeden Tag ins Café Exil. Das Café lebt ausschließlich von privaten Spenden. 1.500 Euro kostet der Unterhalt des Info-Cafés jeden Monat. Nach einer finanziellen Krise vor einigen Jahren ist der Fortbestand des Cafés jetzt abermals bedroht. Bis Ende September reichen die Ersparnisse noch, dann müsste die Anlaufstelle schließen. Zu seiner Rettung sucht das Café jetzt 300 Paten. Mit fünf Euro pro Kopf und Monat könnte es weiterexistieren.

Die Annahme staatlicher Gelder oder von Parteispenden kommt für die Anlaufstelle nicht in Frage. Ihre Arbeit wollen die Helfer unabhängig vom politischen Klima machen. Dem Druck von Seiten des Senats, zunehmend Rückkehrberatung durchzuführen, wie er andere Beratungsstellen trifft, ist es somit nicht ausgesetzt.

Frau M. ist durch ihre Erlebnisse im Kosovo seelisch krank geworden. Ein Leiden, das ihr auch vom AK Harburg attestiert wurde. „Fast täglich wird Frau M. von Erinnerungen an die früheren Erlebnisse nahezu überflutet, zum Beispiel vom regelmäßigen Hören von Schüssen“, heißt es in einem ärztlichen Gutachten der Klinik. Dabei gerate sie immer wieder in schwerste Erregungszustände in denen es zu schweren Selbstverletzungen komme. „Die Abschiebung nach Serbien bedeutet eine weitere schwere Traumatisierung.“

Der Ehemann von M. ist vor zwei Jahren abgeschoben worden. Auch die beiden inzwischen erwachsenen Kinder müssen sich die Duldung regelmäßig in der Ausländerbehörde verlängern lassen. „Früher bekam man die Duldung noch für bis zu drei Monate ausgestellt, heute sind es maximal vier, wenn nicht sogar nur zwei Wochen“, erzählt der 20-jährige Sohn. Ein Helfer im Café weiß von einem Äthiopier, der bis zu seiner Abschiebung 27 Jahre lang auf Duldungsstatus in Hamburg lebte.

Seit dem Regierungswechsel vor drei Jahren sind die Abschiebezahlen in die Höhe geschossen, nächtliche Abschiebungen hätte es aber auch schon unter dem rot-grünen Senat gegeben, erzählt Burkhard Werner. Inzwischen sei eine der Behörde vorgeschriebene „Quote“ von 2.000 auf 3.000 Abschiebungen pro Jahr erhöht worden, warnt er. Für den Status „reisefähig“ sorge ein Behördenarzt. Er bescheinige für fast jeden Flüchtling die Reisefähigkeit, so Werner: „Falls nicht, sorgt die Behörde für einen weiteren medizinischen Gutachter, der garantiert das Gegenteil bescheinigt.“

Das Attest des AK Harburgs hat die Behörde in Frau M.s Fall bisher ignoriert, genauso wie eine Menge anderer Papiere. In zwei Wochen wird sie wiederkommen. Die Mitarbeitenden des Café Exil werden dann wieder für sie da sein.

Spenden für das Café Exil auf das folgenden Konto: VVN/BdA, Haspa, BLZ 20 05 05 50, Kontonummer: 12 11 12 69 23, Stichwort Info-Café

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen