: Hans Dampf in allen Gassen
Bei den Kommunalwahlen werden viele Ämter wieder an Landtags- und Bundestagsabgeordnete verteilt, dabei fehlt den Berufspolitikern aus Bund und Land oft jeder Bezug zur lokalen Politik
VON ULLA JASPER
Wenn Nordrhein-Westfalens BürgerInnen am 26. September bei der Kommunalwahl ihr Kreuz machen, dann wird ein großer Teil der Mandate und Ämter nur innerhalb der politischen Klasse neu verteilt. Denn wie immer treten auch Landtags- und Bundestagsabgeordnete aller Parteien an, um sich in die Ratsfraktionen ihrer Städte und Kreise wählen zu lassen.
Ausgerechnet der FDP-Kreisverband Märkischer Kreis wehrt sich nun gegen eine Vereinnahmung durch die Berufspolitiker, wie der Vorsitzende Axel Hoffmann erklärt: „Wir sind der Meinung, dass Doppelmandate nicht klug und in einem funktionierenden Kreisverband auch gar nicht notwendig sind. Deshalb haben wir einen Beschluss verabschiedet, wonach Doppelmandate nicht zulässig sind.“ Außerdem sei die Mitgliederzahl des Kreisverbands im letzten Jahr um fast 20 Prozent angestiegen – und die neuen Mitglieder wollten ja auch beschäftigt werden.
Weder Landtags- noch Bundestagsabgeordnete oder Mitglieder des Kreistages sollen deshalb nach Ansicht der Märkischen Liberalen in den kommunalen Räten ein Mandat erhalten können. Allerdings räumt auch Hoffmann ein, dass es „mal Ausnahmen“ geben könnte: „Wir sind ja nicht dogmatisch.“ – Dass sie mit dem Thema auch gute Stimmung bei den WählerInnen machen wollen, verheimlichen die sauerländischen Freidemokraten nicht: „Ich sag mal, wir machen das natürlich auch, weil es ein Wahlkampfthema gegen die anderen Parteien ist“, so Hoffmann.
Vor allem könnte es aber auch ein Wahlkampfthema gegen den eigenen Fraktionsvorsitzenden im Düsseldorfer Landtag sein. Denn Ingo Wolf ist einer der meistbeschäftigten Politiker im Bundesland. Er ist nicht nur Landtagsabgeordneter und FDP-Fraktionsvorsitzender, sondern auch Fraktionsvorsitzender der Liberalen im Kreistag Euskirchens, Vorsitzender des Bezirksverbands Aachen, kooptiertes Präsidiumsmitglied des Städte- und Gemeindebundes NRW sowie des Landkreistags NRW und Mitglied im Euregio-Rat. Und in seiner Freizeit arbeitet er noch als Rechtsanwalt.
Unterstützung bekommt er von Hans Zinkamm, dem Pressesprecher der Landtagsverwaltung: „Solch eine Nebentätigkeit ist nicht verboten. Und den Abgeordneten sichert die Arbeit in der Kommunalpolitik ja auch eine Basis für eine eventuelle Wiederwahl.“
Da erscheint es dann nur logisch, dass sich auch Bundespolitiker weiter in lokale und kommunale Gremien wählen lassen, auch wenn sie die meiste Zeit des Jahres in Berlin verbringen. Sozialdemokrat Reinhard Schultz, der den Kreis Warendorf im Bundestag vertritt, pendelt zwischen Berlin und seiner Heimat hin und her, um als Vorsitzender der SPD-Kreistagsfraktion an den Sitzungen teilzunehmen. Daneben gilt es noch, die Geschäfte seiner in Everswinkel ansässigen Unternehmensberatung Schultz Projekt Consult zu leiten. Aber Schultz kann froh sein, dass er nicht für die SPD in Steinfurt angetreten ist, denn die hat sich im März 2002 ebenfalls für eine Ämtertrennung ausgesprochen.
In der CDU hat man mit der Ämterhäufung offenbar auch keine Probleme. Roland Mitschke, Fraktionsvorsitzender der Konservativen im Bochumer Rat, kandidiert nicht nur für die Wiederwahl am 26. September, sondern möchte am liebsten wenige Monate später auch in den Düsseldorfer Landtag einziehen. Zwar gelte auch in der Union eigentlich die Auffassung, dass Doppelmandate zu vermeiden seien, doch „Düsseldorf ist ein Katzensprung“, so dass sich beide Mandate durchaus vereinbaren ließen.
Bei den Grünen scheint man sich der Problematik durchaus bewusst zu sein – ändert aber nichts daran. Rüdiger Sagel, Landtagsabgeordneter in Düsseldorf, kandidiert auch für den Rat in Münster. Natürlich könne er verstehen, dass es gegen solche Doppelfunktionen Bedenken gebe, erklärt Hubertus Zdebel, Mitarbeiter der Grünen-Fraktion. Entschuldigend setzt er hinzu, dass ja gerade die Grünen jahrelang über die Trennung von Amt und Mandat gestritten hätten. Aber Doppelmandate gebe es in anderen Parteien auch und außerdem handele es sich ja um ehrenamtliche Aufgaben: „Natürlich kann ich verstehen, dass es Bedenken wegen der Machtkonzentration gibt, aber es gibt doch viele Beispiele, dass mehrere Ämter miteinander kompatibel sind.“ In Münster habe es jedenfalls keine Kritik an Sagels Kandidatur gegeben. Außerdem stehe ja gar nicht fest, ob er wirklich gewählt werde.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen