: Die sechs Litfaßsäulen
Vattenfall will die Unterhaltskosten des Brandenburger Tores übernehmen. Dafür darf der Stromkonzern mit dem Wahrzeichen werben. Ist Sponsoring des Denkmals sinnvoll? Eine Debattevon RICHARD ROTHER
PRO
Ein wenig Geschmäckle hat es schon: Vor zwei Jahren beschließt der schwedische Stromkonzern Vattenfall auf Drängen des Senats, die Zentrale des neu gegründeten Energieriesen Vattenfall Europe in Berlin anzusiedeln. Das Nachsehen hatte Hamburg, das den Konzern gern an der Alster gesehen hätte. Zwei Jahre später soll sich Vattenfall auf Briefköpfen als „Partner des Brandenburger Tors“ bezeichnen dürfen und übernimmt dafür mit 200.000 Euro jährlich die Bauunterhaltungskosten des liebsten Bauwerks der Deutschen. Vattenfall darf eine Plexiglas-Tafel vor das Bauwerk stellen, auf der es seine Wohltat preist.
So what!? Berlin kann jeden Euro gut gebrauchen. Diskussionswürdig an diesem temporären „Verkauf“ des Brandenburger Tors zu relativ diskreten Werbezwecken ist nicht das Ob, sondern höchstens die Höhe des Preises. Zudem erinnert die Briefkopf-Werbung eher an einen königlichen Hoflieferanten Seiner Majestät als an aufdringliche Geiz-ist-geil-Kampagnen.
In Zeiten, in denen Kita-Gebühren oder Schwimmbadpreise erhöht werden, weil kein Geld da ist, sind zusätzliche Einnahmen höchst willkommen. Es bedeutet schließlich bares Geld, wenn private Sponsoren die Kosten für Sanierung oder Unterhalt öffentlicher Gebäude mitfinanzieren. Das Land kann so vorhandenes Geld anders ausgeben beziehungsweise muss keine teuren Kredite aufnehmen. Sicher wäre es schöner, hätte die Stadt genug eigene Einnahmen, um auch solche Pflichten zu übernehmen – hat sie aber nicht. Leider kann Berlin daran nur bedingt daran etwas ändern; der finanzielle Spielraum des Landes wird maßgeblich von der Wirtschafts- und Steuerpolitik des Bundes bestimmt.
In Berlin ist das Sponsoring öffentlicher Einrichtungen auch deshalb bereits gang und gäbe: Brunnen werden von Kaufhäusern finanziert, weil das Plätschern zum Verweilen und Kaufen einlädt, neue schicke Toilettenhäuschen werden über Werbung bezahlt, an sanierungsbedürftigen Gebäuden prangen riesige Sponsorenplakate.
Selbst das Brandenburger Tor ist oft genug Objekt der indirekten Vermarktung: Der Berlin-Marathon führt durch das Tor, die Love Parade ebenso, ganz zu schweigen von der alljährlichen Silvesterparty – allesamt privat gesponsorte Ereignisse, die von der besonderen Location profitieren. Wo also ist das Problem, wenn die Vermarktung des Brandenburger Tores nun dezent vorangetrieben wird?
Berlin hat schließlich nicht mehr viel zu bieten – außer seinem Image. Das lockt Touristen und Neugierige in die wirtschaftsschwache Stadt, bringt zunehmend Geld. Sehenswürdigkeiten wie das Brandenburger Tor oder die Siegessäule stehen selbstverständlich im Mittelpunkt des Interesses. Wenn jemand sich deshalb bereit erklärt, für eine temporäre Nutzung zu Werbezwecken Geld zu zahlen – bitte! Es gäbe Schlimmeres als ein Brandenburger Tor, das in der Farbe eines etwaigen Sponsors leuchtet, oder eine Siegessäule, die von einem Modemacher verhüllt (und so nebenbei entmilitarisiert) wird – geschlossene Schwimmhallen oder unbezahlbare Kitas zum Beispiel.
Contra
von ROBIN ALEXANDER
Man stelle sich diese Nachricht vor: Der Bürgermeister von New York, Michael R. Bloomberg, gibt bekannt, dass der Energieversorger Enron künftig eine Abbildung der Freiheitsstatue in sein Logo integrieren darf, dazu den Schriftzug: „Enron – the Partner of Lady Liberty!“ Die Vorstellung will nicht recht gelingen. Niemand würde in den USA, wo man mit Sponsering und Private-Public-Partnership wirklich nicht zimperlich ist, das nationale Symbol einem einzelnen Konzern überantworten. Dabei wären die Werte – Freiheit, Patriotismus, Selbstbestimmung – mit denen die Freiheitsstatue verbunden wird, wunderbare Assoziationen zu jeder Marke: ob Softdrink, T-Shirt oder Strom. Gold wert für jedes Unternehmen.
Das Brandenburger Tor ist 200.000 Euro im Jahr wert – für die in dieser Höhe angesetzte „Bauunterhaltung“ will der schwedische Energieversorger Vattenfall aufkommen. Als Gegenleistung gibt es zwei Bronzeplatten und zwei Glasplatten, außerdem wird das Tor ins Vattenfall-Logo eingefügt. Ein guter Deal – für Vattenfall.
Zugegeben: Als nationales Symbol macht das Tor nicht so viel her. Einst stand es für den Gegensatz zwischen BRD und DDR, heute steht es nicht wirklich für die Einheit. Anders als die US-Amerikaner verbinden die Deutschen mit der Bundesrepublik keine Werte über Funktionalität und Stabilität hinaus – vielleicht noch die Scham angesichts der deutschen Vergangenheit. Das eigentliche deutsche Nationalsymbol war die D-Mark. Ein neues könnte das Holocaust-Mahnmal werden.
Wenn überhaupt, steht das Brandenburger Tor für Berlin. Das macht es interessant für Vattenfall. Die Schweden haben die einst öffentlichen Strukturen der Bewag übernommen und verdienen an der Stromrechnung der allermeisten Hauptstädter. Die Konkurrenz ist noch wenig entwickelt. Viele meinen, sie zahlen zu viel. Nur ein paar Kilometer von Berlin entfernt, in der Lausitz, müssen die Bewohner des Dörfchens Horno umziehen, weil Vattenfall dort Braunkohle fördern will. Viele meinen, das sei nicht notwendig. Deshalb ist es für das Unternehmen wichtig, zumindest das Gefühl zu vermitteln, auch etwas für die Stadt zu tun. Nicht nur zu profitieren, sondern der „Community“, wie man in den USA sagt, „etwas zurückgeben“.
Kultursenator Thomas Flierl (PDS) zeigte als Stadtrat ein hohes Bewusstsein für die Privatisierung von öffentlichem Raum . Sein Argument für das Tor-Sponsering – Vattenfall werbe nicht für sein Produkt – verfängt aber nicht: Natürlich geht es um das Image des Konzerns, nicht um seinen Strom.
Der Streit um das Tor und das Kleingeld wäre nicht weiter beachtenswert, läge darin nicht eine Chance. Weil die öffentlichen Kassen leer sind, wird Sponsoring ein Thema bleiben. Die Berliner könnten jetzt beginnen, nachzudenken, wo sie die Präsenz von Konzernen wünschen: in Kitas, um die Gebühren niedrig zu halten? In Schulbüchern, damit sie die Eltern nicht kaufen müssen? Auf Polizeiwagen, um Neuanschaffungen zu ermöglichen? Oder doch nur an Bauwerken, deren Pflege für den Senat zu teuer ist?
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen