: Raucherecke im Visier
Zum heutigen Schuljahresbeginn erwarten die Schülerinnen und Schüler neue Rauchverbote und flächendeckende Videoüberwachung. Allerdings kann jede Schule selbst entscheiden
VON ANNIKA JOERES
Die Schulen im Revier wollen härter durchgreifen: Zum heutigen Schulstart müssen sich die SchülerInnen auf Kameras und Kippenverbot einstellen. Schulministerin Ute Schäfer (SPD) will in dieser Woche eine Kampagne gegen die Nikotinsucht starten. „Das Rauchen sollte eine absolute Ausnahme bleiben“, sagt Ministeriumssprecher Ralf Fleischhauer. Auch werde ein generelles Rauchverbot geprüft, schließlich griffen erschreckend viele Teenager zur Zigarette.
Tatsächlich sind immer jüngere Menschen abhängig: Nach einer Studie des Gesundheitsministeriums rauchen schon sieben Prozent der Jungen und acht Prozent der Mädchen im Alter von 13 Jahren regelmäßig. Ab 16 Jahren können sie auch offiziell zwischen Mathe- und Englischkursen paffen. Im Prinzip hat jede Schule mit einer Oberstufe, also Gymnasien und Gesamtschulen, eine Raucherecke auf dem Schulhof. Laut Vorschrift müsste eine solche Möglichkeit aber von der jeweiligen Schulkonferenz abgesegnet werden, aber nur die wenigsten Schulen haben dies getan. Auch die LehrerInnen sollen zukünftig auf ihren Glimmstängel verzichten: „Wenn 18-jährige SchülerInnen nicht rauchen dürfen, sollten die PädagogInnen auch verzichten“, sagt Fleischhauer.
Den LehrerInnen schmeckt diese Aussicht nicht. „Es ist ein Unterschied, ob Erwachsene rauchen oder unmündige SchülerInnen“, sagt der Vorsitzende des Verbandes Bildung und Erziehung in NRW, Udo Beckmann. Die Nikotinsucht sei ein gesellschaftliches Problem, das durch ein simples Verbot der Raucherecke nicht zu bekämpfen sei. Beckmann plädiert dafür, nur da zu rauchen, wo es die SchülerInnen nicht mitbekommen.
In Zukunft wird das ungesehene Rauchen allerdings viel schwieriger: Viele Schulen im Ruhrgebiet wollen Kameras installieren, um so Graffitis und Vandalismus auf den Schulhöfen einzudämmen. Vorreiter waren die Schulen in der Kleinstadt Oer-Erkenschwick, die schon im vergangenen Jahr an ihrer Real-und Hauptschule SchülerInnen beobachten ließ. Jetzt zieht das Willy-Brandt-Gymnasium nach, auch Schulen in Nachbarstädten wie Datteln und Recklinghausen wollen observieren lassen, Dortmund und Gelsenkirchen überlegen ebenfalls. Ihr Argument: Gewalt und Vandalismus nähme rasant zu, die TäterInnen würden durch die Kameras abgeschreckt.
DatenschützerInnen und das Ministerium kritisieren die Überwachungsaktion und sind sich diesmal einig mit dem VBE. „Es ist fatal, wenn Schulen zu Hochsicherheitstrakten werden“, sagt Beckmann. Sie müssten eine offene Lern- und Lebenswelt bleiben. Auch Fleischhauer sagt: „Wir sind strikt gegen Überwachung.“ Sie sei schlecht für das Klima und zerstöre die Atmosphäre. Auf die Kameras hat das Land bisher allerdings ebenso wenig Einfluss wie auf die Kippen: Jede Schule entscheidet selbst, wie frei ihre SchülerInnen in Zukunft herumlaufen können.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen