: Bund und Land spielen Steuertheater im Palast
Die Palastruine ist ein voll funktionsfähiger Bau, meint das Berliner Finanzamt und will daher vom Bund kräftig Steuern kassieren. Der kassiert darauf alle für 2005 dort geplanten Veranstaltungen – auch die, von denen er gar nichts weiß
Quasi über Nacht hat die Behörde von Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) die Ruine des Palasts der Republik in ein völlig funktionstüchtiges Bauwerk verwandelt. Das für Erichs Lampenladen zuständige Finanzamt hat in seiner Grundwertbestimmung für 2004 festgestellt, dass das Haus, weil asbestbefreit, deutlich an Wert gewonnen habe. Statt 80.000 Euro Grundsteuer, wie noch 2003, muss der Bund als Immobilienbesitzer für 2004 deutlich tiefer in die Tasche greifen. „Genau 263.722,60 Euro Grundsteuer fordert Berlin von uns und das ist zu viel“, ärgert sich Helmut John, Sprecher des Bundesvermögensamts, das die Bundesliegenschaften verwaltet.
Deshalb will das Bundesamt nun keine weiteren Zwischennutzungen mehr im Palast genehmigen. „Wir zahlen schon drauf, weil wir das Gebäude für 5.000 Euro monatlich bereits zu niedrig vermieten, damit der Kulturbetrieb überhaupt stattfindet“, so John. „Jetzt ist es am Land, sich zu bewegen.“
Der Finanzsenator sieht das anders. „Wir wenden nur geltendes Recht an“, argumentiert Sprecher Matthias Kolbeck. „Der Bund muss seine Grundsteuer ebenso bezahlen wie jeder andere Grundbesitzer auch.“ Außerdem habe die Mehrbelastung nichts mit der Zwischennutzung des Palasts zu tun. „Das Finanzamt hat die Wertbestimmung am Jahresanfang vorgenommen. Da konnte die öffentliche Nutzung nicht berücksichtigt werden.“ Diese könnte sich nach dem Gesetz sogar steuermindernd auswirken. So sind beispielsweise Rathäuser grundsteuerbefreit, aufgrund ihres Nutzens für die Allgemeinheit. „Beim Palast der Republik ist das nicht ganz so einfach“, schränkt Kolbeck ein: „Schließlich ist die Nutzungsart ist nicht so klar wie bei einem Freizeitbad.“
Beim Bundesvermögensamt glaubt man nicht an diese Milde. „Das Land verfährt nach dem Motto: Der Bund hat’s ja“, findet Helmut John. Denn dem Bund waren schon die 80.000 Euro für die Ruine zu viel. Bleibe eine Entlastung aus, gebe es nächstes Jahr definitiv keine Kultur mehr im Palast – es sei denn, die Veranstalter würden mehr zahlen.
Da kann auch Kultursenator Thomas Flierl (PDS) nicht helfen. „Wir haben viele Ideen und wenig Geld“, dämpft Flierls Sprecher Torsten Wöhlert die Hoffnungen. Einen Ausfall des Programms würde er bedauern. „Wir arbeiten an Lösungen und glauben an weitere Kultur im Palast über den November hinaus“, versichert Wöhlert darum. Konkretes kann er aber nicht vorweisen.
Die Volksbühne ist da schon weiter. Ihr Intendant Frank Castorf will Mitte Januar in dem Palast das Stück „Berlin Alexanderplatz“ inszenieren. Doch das ist nicht nur durch das Steuertheater gefährdet – denn das Vermögensamt weiß noch gar nichts davon. „Ich habe mit niemandem über eine Nutzung des Gebäudes für 2005 gesprochen“, erstaunt Uwe Hacker, zuständig für die Vermietung des Palasts. „Wir gehen vom Abriss Anfang 2005 aus.“ Da ist auch er nicht mehr auf dem neusten Stand. Der Abriss wird sich wegen eines Fehlers bei der Ausschreibung, teilte die Berliner Bauverwaltung mit, mindestens bis zum Sommer verzögern. STEFAN KLOTZ
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