: Wirtschaft ist gegen Terror sehr resistent
Nach dem 11. September fürchteten viele, die Konjunktur werde weltweit einbrechen. Heute ist klar, dass sie sich geirrt haben. Viel bedrohlicher als kurzfristige Schocks sind für das Wirtschaftswachstum: die langen Kriege in den erdölreichen Regionen
VON NICOLA LIEBERT
Als heute vor drei Jahren Flugzeuge gerade das World Trade Center in Brand gesetzt hatten, da stotterte ein hilfloser Kommentator im US-Fernsehen: Was wird das wohl für die Luftfahrtbranche bedeuten? Und für die Börse? Am Tag nach den Terroranschlägen des 11. September 2001 schrieb das Wall Street Journal: „Die gestrigen Bombenattentate drohen eine ohnehin schon fragile Weltwirtschaft in eine breite Rezession zu stürzen, indem sie das Verbrauchervertrauen zerschmettern und grundlegende Wirtschaftsfunktionen wie Luftfahrt und Finanzmärkte zum Erliegen bringen.“
Damit lag die Wirtschaftszeitung aber nicht nur in Hinblick auf die Bomben falsch, die bei den Anschlägen bekanntlich gar nicht vorkamen. Auch die Wirtschaft hat mitnichten den Schock erlitten, den man hätte vermuten können. An der New Yorker Börse stürzten zwar zunächst die Kurse ab, gleich danach erholten sie sich aber. Und das hielt bis März 2002 an.
Richtig ist, dass die US-Wirtschaft 2001 an einer kräftigen Rezession litt. Falsch ist aber, dass diese durch die Terroranschläge ausgelöst wurde. Das Bruttoinlandsprodukt fing schon Anfang 2001 zu schrumpfen an, kurz nach George W. Bushs Amtsantritt. Deswegen verweist dieser gerne darauf, die Flaute habe sein demokratischer Amtsvorgänger Bill Clinton zu verantworten – und nicht etwa Ussama Bin Laden. Seit dem 4. Quartal 2001 wächst die US-Wirtschaft wieder. Europa hinkt immer etwas hinterher.
Dass sich die Wirtschaft gegenüber Schocks wie den Anschlägen des 11. September als widerstandsfähig erweisen würde, das sagten schon sehr schnell Wirtschaftswissenschaftler der Universität von Kalifornien voraus. „In der Vergangenheit haben etwa Naturkatastrophen nicht einmal einzelne US-Bundesstaaten in die Krise getrieben“, schrieben Edward Leamer und Christopher Thornberg. Dasselbe gelte für den Ausbruch von Kriegen. Anders als gemeinhin angenommen hätten auch Sorgen und Ängste der Verbraucher relativ geringe Auswirkungen auf die Konjunktur. Schuld am Einbruch sei das Platzen der Internet-Blase gewesen.
Anders ist die Sache bei längeren Konflikten – umso mehr, wenn sie in einer erdölreichen Region ausgefochten werden. Nur weil damals die Ölpreise stiegen, habe der erste Irakkrieg von Bush Senior die Rezession von 1990 bis91 nach sich gezogen, so Leamer und Thornberg. Der 11. September lieferte dann Bush Junior die Ausrede für die erneute Invasion im Irak. Da die Ölpreise aus diesem Grund – kombiniert mit der Nachfrage Chinas – steigen und das Wirtschaftswachstum weltweit bremsen, ziehen die Anschläge indirekt doch noch ökonomische Schäden nach sich.
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