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Ohne Tuch und Toleranz

Auch muslimischen Schülerinnen muss das Tragen von Kopftüchern verboten werden, fordert der rechtspolitische Sprecher der CDU-Fraktion. SPD-Bildungssenator Böger ist gegen ein solches Verbot

von JOHANNES GERNERT

Michael Braun war gerade für fünf Tage in Istanbul und hat sich dort offensichtlich zum Laizismus bekehren lassen. Nun fordert der rechtspolitische Sprecher der CDU-Fraktion im Abgeordnetenhaus, Kopftücher komplett aus dem Klassenzimmer zu verbannen. Auch Schülerinnen sollten darauf verzichten. Seit das Bundesverfassungsgericht mögliche Kopftuchverbote für Lehrerinnen zur Ländersache erklärt hat, wird in Berlin über ein solches Gesetz debattiert.

„Irgendwo stößt die Glaubensfreiheit an ihre Grenzen“, sagte Braun der taz am Freitag. Vor allem, wenn andere leiden müssten. Braun sieht den Sportunterricht gefährdet. Besonders in Bezirken mit hohem türkischem Bevölkerungsanteil könne „normaler Unterricht partiell nicht mehr stattfinden“. Weil die Koptuchträgerinnen nicht an den Schwimmstunden teilnähmen, müssten sie währenddessen gesondert beaufsichtigt werden. In Klassen mit zahlreichen Musliminnen drohe der Unterricht gar auszufallen. Beeinträchtigungen erkennt er nicht nur beim Schwimmen: „Machen Sie mal Gymnastik mit einem Kopftuch.“ Braun rechnet nun mit einer Gesetzesinitiative der CDU.

„Zur Zeit gibt es dazu noch gar keinen Beschluss, weder vom Vorstand noch von der Fraktion“, sagte dagegen der Pressesprecher der CDU-Fraktion. Im Augenblick seien schließlich Parlamentsferien. „Man muss erst mal sehen, ob da ein Gesetz erforderlich ist“, gab sich auch der Berliner Bundestagsabgeordnete Roland Gewalt zurückhaltend. Er teile Brauns Ansicht, will sich jedoch nicht in die Arbeit der Fraktion im Abgeordnetenhaus einmischen.

Bildungssenator Klaus Böger hält überhaupt nichts von dem Vorschlag. Er setze sich auch deshalb für ein Kopftuchverbot bei Lehrerinnen im öffentlichen Dienst ein, damit muslimische Schülerinnen durch solche Vorbilder nicht einseitig beeinflusst würden, erklärte sein Sprecher Thomas John. Verschiedene Kulturen zu zeigen und eigene Urteilsfindung zu fördern gehöre zum Erziehungsauftrag. „Das Kopftuch für Schülerinnen zu verbieten widerspricht dieser Toleranz“, stellte er fest. „Frankreich mit seiner rigorosen Regelung ist für uns kein Vorbild“, so John.

Der bildungspolitische Sprecher der Grünen-Fraktion, Özcan Mutlu, kritisierte Brauns Vorstoß deutlich: „Der soll die Kirche im Dorf lassen und sich über Bereiche äußern, für die er Kompetenz besitzt.“ Das Tragen von Kopftüchern lasse sich bei Schülerinnen genauso wenig untersagen wie das von Bomberjacken. „Gesinnung kann man nicht verbieten“, so Mutlu. Was das Schwimmen anbelange: „Schwimmunterricht ist Pflichtunterricht.“ Brauns wolle lediglich Angst schüren und die Stammtische bedienen. Michael Braun bestreitet das. „Ich bin doch mit einer Ausländerin verheiratet.“

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