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Straßennazis strömen jetzt in die NPD

Die NPD erlebt eine Beitrittswelle. Vor allem militante Neonazis zieht es in die Partei. Bei Wahlen will die NPDkünftig zusammen mit der DVU antreten. Innenminister Schily sieht keine Chance für ein erneutes Verbotsverfahren

BERLIN taz ■ Noch vor kurzem galt sie in der rechten Szene als Auslaufmodell. Nun aber befindet sich die NPD im Aufwind. Bei der Bundestagswahl 2006 wollen NPD und DVU gemeinsam antreten. Ziel sei eine „nationale Liste“, erklärten der DVU-Vorsitzende Gerhard Frey und NPD-Chef Udo Voigt in Berlin. Spätestens seit der Sachsenwahl erfährt die NPD zudem bundesweit einen Zulauf – und zwar vor allem von militanten Neonazis.

Diesen Trend kurbelten drei führende Kader der „Freien Kameradschaften“ an, die vor einigen Tagen ihren Parteibeitritt angekündigt hatten: Thorsten Heise von der Kameradschaft Northeim, bereits mehrfach wegen rechtsextremer Straftaten verklagt, Ralph Tegethoff und der Hamburger Thomas Wulff. Diesem Schritt sind inzwischen zahlreiche Kameraden gefolgt. „Die NPD sucht die Zusammenarbeit mit anderen rechtsextremistischen Szenen“, sagte der Präsident des sächsischen Landesamts für Verfassungsschutz, Rainer Stock. Die Beitrittswelle ist umso auffälliger, als die NPD noch im vergangenen Jahr massiv an Mitgliedern verlor. 2001 hatte die NPD noch rund 6.500 Mitglieder, zwei Jahre später waren es nur 1.500.

Einen Zulauf militanter Neonazis in die Partei hatte es zuletzt Mitte der Neunzigerjahre gegeben. Damals konnte sich die NPD nach den Verboten einiger neonazistischer Parteien und Gruppen als Sammelbecken militanter Neonazis etablieren. Doch nach und nach traten viele von ihnen wieder aus. Ihnen war das Parteigefüge der NPD zu starr und zu anfällig für Verbote. Stattdessen gründeten sie die Freien Kameradschaften. Bei den NPD-Altherren wiederum führte der Beitritt militanter Straßenkämpfer zu großem Unmut. Die Partei verfing sich in Flügelkämpfen.

Auf die aktuelle Beitrittswelle scheint sich die Parteiführung aber vorbereitet zu haben. Schon seit Monaten ist zu beobachten, wie führende Kader den Schulterschluss mit den Straßennazis proben. Sichtbarstes Zeichen war der Aufmarsch am 1. Mai in Berlin, an dem sich erstmals über 170 rechtsextreme Gruppen und NPD-Verbände gemeinsam beteiligten. Nun hat die Parteiführung der NPD vor zwei Tagen eine Erklärung veröffentlicht, in der sie sich zur „Gesamtbewegung des nationalen Widerstands“ bekennt. Die NPD würde neben dem Kampf um die Parlamente auch dem Kampf der Straße einen hohen Stellenwert beimessen.

Rechtsextremismusexperten sehen im Wahlerfolg der NPD in Sachsen daher nicht nur einen parlamentarischen Sieg. Erstmals sei in der Bundesrepublik einer „radikalisierten Partei der Einzug in ein Parlament gelungen, die enge Kontakte zum militanten Neonazismus pflegt“, sagt Henning Flad, Politologe an der Viadrina-Universität in Frankfurt (Oder). Damit wächst die braune Gefahr nicht nur im Parlament, sondern auch auf der Straße.

Rechtlich lässt sich dies derzeit nicht verhindern, so Bundesinnenminister Otto Schily (SPD): Ein Verbotsverfahren gegen die NPD sei „für absehbare Zeit nicht mehr möglich“.

FELIX LEE

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