: Applaus heilt keinen Herpes
In der Manege werden Tiere öfter krank als im Zoo. Steht Deutschlands Zirkuselefanten der letzte Auftritt bevor?
Dass Tiere im Zirkus weniger Spaß haben als die Zuschauer, ist nicht neu. Doch erst nach der Aufnahme des Tierschutzes in Artikel 20a des Grundgesetzes im vergangenen Jahr gibt es eine Grundlage für ein Verbot der Haltung von Bären, Elefanten und Affen im Zirkus, wie es der Bundesrat nun gefordert hat.
Das Ende der Vorstellung, das den Zirkuselefanten bald bevorstehen könnte, verdanken diese dem sonst als wenig feinfühlig bekannten hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch. Dessen Umweltministerium hat nach der Änderung des Grundgesetzes die Erfahrungen ausgewertet, die Amtstierärzte von Schwerin bis München gemacht haben – und ist zu dem Ergebnis gekommen, dass eine artgerechte Haltung von Bären, Affen und Elefanten im Zirkus unmöglich ist.
Artspezifische Besonderheiten sind dafür verantwortlich, dass gerade diese Tiere bald aus der Manege verschwinden könnten. Sie haben besonders hohe Ansprüche an Klima, Pflege und Sozialstruktur. So betont eine Studie der University of Oxford vom November 2002 die schweren Schäden, die eine Haltung in Gefangenschaft bei Elefanten hervorruft. Im Zirkus haben sie oft nur etwa ein Drittel der entsprechenden Fläche in Zoos zur Verfügung; Fahrten über 100 Kilometer am Tag lassen den Tieren wenig Bewegungsfreiheit. Bei Bären und Raubkatzen führen diese Lebensumstände häufig zu Bissen und Prankenhieben; Elefanten in Gefangenschaft leiden laut der Studie aus Oxford oft an Übergewicht, Herpes, Armut an Spermien und Verhaltensstörungen. Auch sterben sie erheblich früher als ihre frei lebenden Artgenossen. Allein binnen eines Jahres sind in Deutschland fünf der insgesamt rund 100 Zirkuselefanten verendet; einer schwebt im Osnabrücker Zoo noch zwischen Leben und Tod.
Mit einer Verbannung der Elefanten aus dem Zirkuszelt würde Deutschland mit Ländern wie Österreich, den skandinavischen Staaten oder Australien gleichziehen. Bisher gibt es in der Bundesrepublik nur die „Leitlinien zur Haltung von Zirkustieren“. Dennoch steht das Bundesverbraucherministerium dem Vorschlag des Bundesrates skeptisch gegenüber, weil es einen Zielkonflikt mit der ebenfalls durch die Verfassung garantierten Freiheit der Berufswahl befürchtet. Allerdings will man mit den Ländern und den betroffenen Verbänden über eine Behebung der Missstände reden.
Ob dies tatsächlich in ein Gesetz mündet, ist bisher unklar. Die Zirkusbranche sieht in einem Verbot von Elefanten nur einen Anfang und insistiert, wie etwa Susanne Matzenau vom Zirkus Krone, auf der „tiergerechten“ Haltung der Elefanten, Pediküre inklusive. Die Schausteller fürchten, dass die Zuschauer wegbleiben, wenn ausgerechnet die beliebten Elefanten fehlen. In München gastiert übrigens gerade „Colonel Joe“, mit sieben Tonnen Gewicht der größte Elefantenbulle der Welt. Sein Heimatort: Los Angeles, Kalifornien.
ANDREAS SPANNBAUER
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