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Köln droht wieder mal Großes

Auch wenn Fritz Schramma verkündet, er brauche als Oberbürgermeister keine Koalitionen, laufen erste Verhandlungen zwischen CDU und SPD. Die Grünen dürften sich in der Opposition wiederfinden

Von Frank Überall

Fritz Schramma läuft als Oberbürgermeister allmählich zu Höchstform auf. Der Kölner Verwaltungschef ergriff nach der Kommunalwahl vom Sonntag nicht nur machtvoll das Wort, er machte auch geschichtsträchtige Äußerungen – ganz in die Tradition seines berühmten Vorgängers Konrad Adenauer, der einst mit dem Satz brillierte: „Was kümmert mich mein Geschwätz von gestern?“ Schramma kann das noch besser: Die Halbwertzeit seiner Einschätzungen spielt sich eher im Stundenbereich ab.

So verkündete er nach einer ersten Hochrechnung, er (!) werde nun Verhandlungen mit den Grünen über die Fortsetzung der schwarz-grünen Koalition aufnehmen. Rein rechnerisch gab es dafür zu diesem Zeitpunkt allenfalls noch eine ganz knappe Mehrheit. Kurze Zeit später sprach er in die Mikrofone, jetzt sei eine „deutliche, breite Regierungsmehrheit nötig“. Indirekt votierte er damit öffentlich für eine große Koalition, denn andere breite Mehrheiten waren mathematisch nicht drin. Nach Bekanntgabe des vorläufigen amtlichen Endergebnisses sah die Schramma-Welt wieder ganz anders auf. „Ich brauche als Oberbürgermeister gar keine Koalitionen“, verkündete er selbstbewusst. Wechselnde Mehrheiten würden schließlich in Frankfurt auch gut funktionieren.

Was den OB zu diesem Parforceritt durch die möglichen politischen Konstellationen getrieben hat, wird wohl sein Geheimnis bleiben. Hinter den Kulissen lief es längst auf eine Zusammenarbeit von CDU und SPD hinaus. Zu ersten – getrennten – Gesprächen trafen sich gestern zunächst die Fraktionen. Die Marschrichtung für mögliche Koalitionsverhandlungen sollte festgelegt werden. Die Grünen werden dabei offenbar in die Opposition gehen – denn auch die ins Spiel gebrachte Ampel-Koalition ist nicht mehr realistisch, ebenso wenig wie eine „kölsche Volksfront“ aus SPD, Grünen und PDS, die mit 46 Sitzen denkbar knapp regieren könnte. „Wir werden mit der Kölner FDP nicht zusammen arbeiten, weil sie sich zu weit nach rechts bewegt hat“, sagte Grünen-Fraktionschefin Barbara Moritz. „Wir werden eine knallharte Oppositionspolitik in dieser Stadt machen“, fügte der grüne Bundestagsabgeordnete Volker Beck hinzu: „Für Köln ist das ein schlechtes Ergebnis, weil hier jetzt wieder alte Zeiten einziehen, wo sich Schwarz und Rot die Pfründe aufteilen unter dem Motto eine Hand wäscht die andere.“

Bei der CDU sah man gestern nur lange Gesichter. Die Unions-Leute hatten große Mühe, sich von dem Schock des schlechten Ergebnisses zu erholen. Über zwölf Prozent Minus verärgerten so manchen. Der Bundestagsabgeordnete Rolf Bietmann nannte wie viele andere den Streit in der Union als Grund für das Wahl-Desaster: „Die CDU wird nur eine Chance haben, wenn sie ihre Querelen beilegt, und von daher muss sie ihre ganze Kraft darauf ausrichten. Ich denke, das wird noch einen schwierigen Klärungsprozess geben.“ Dieser werde wohl noch einige Monate dauern.

Als „Brandstifter“ in der Union wurde von mehreren der frühere Parteivorsitzende Richard Blömer ausgemacht. Der habe sich nach seinem Rücktritt noch zu sehr in die Fraktionspolitik eingemischt. Schramma berichtete, in Blömers Heimat-Stadtbezirk Lindenthal habe die Union überproportional verloren. Darüber müsse in der Partei natürlich gesprochen werden.

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