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Eine neue Zeche ist keine große Liebe

Selbst an den Bergwerksstandorten Hamm und Marl bröckelt die Kohlelobby. Die gewagten Ideen des RAG-Chefs Werner Müller, angesichts des hohen Kokspreises eine neue Zeche abzuteufen, stoßen nur auf wenig Gegenliebe

HAMM taz ■ “Wir sollten keine Geisterdiskussion führen. Das, was Herr Müller da veranstaltet hat, ist schlicht unseriös.“ Wer das sagt, sollte sich eigentlich über jeden Krümel geförderte Kohle freuen: Thomas Hunsteger-Petermann (CDU) ist Oberbürgermeister von Hamm, seine Stadt ist einer der letzten deutschen Bergwerksstandorte für Steinkohle mit über 3.300 Bergarbeitern. Das bestehende Bergwerk Ost will Hunsteger-Petermann auch unbedingt erhalten. Auch die Erweiterung des Abbaus nach Norden ist für ihn kein Tabu. Doch eine neue Zeche, wie von RAG-Chef Werner Müller gewünscht? „Das müssten wir dem Bürger erklären können: Hier diskutieren wir darüber eine neue Zeche aufzumachen, während wir gleichzeitig Beschlüsse haben, andere Zechen zu schließen“, wundert sich der Lokalpolitiker.

Hamms OB steht zum existierenden Bergwerk – doch der energiepolitische Kurs seiner Partei spricht eine andere Sprache: die Fördermenge soll bis 2010 auf die Hälfte des heutigen Niveaus reduziert werden. Das wäre hart für Hamm: „Ich gehöre in der CDU einer Minderheit an, trotzdem will ich meine Meinung gegenüber Jürgen Rüttgers offensiv vertreten.“

Mangelnde Akzeptanz der Pläne ist das Eine – doch für die RAG und ihre Tochter, die Deutsche Steinkohle AG (DSK), gibt es andere Probleme: Der Satz „was gut ist für den Bergbau, ist gut für die Stadt“ gilt nicht mehr. Die Anwohner stehen nicht mehr voll hinter dem Bergwerk: „Man muss die Ängste der Bürger ernst nehmen, wenn ein Gebiet fünf bis sieben Meter absinkt“, meint auch Hamms Stadtchef. Im östlichen Ruhrgebiet hat Werner Müller mit seinen Plänen kein leichtes Spiel.

Anders sieht es im Norden aus. In Marl steht zum einen das Bergwerk Auguste Victoria/Blumenthal und zum anderen steht auch die mittlerweile parteilose Bürgermeisterin Uta Heinrich fest hinter den Plänen der RAG: „Wir können es uns nicht leisten, einen einzigen Standort zu schließen – die wackelige Haltung der CDU-Landespartei ist nicht sinnvoll.“ Wegen der gestiegenen Preise für Koks lohne sich auch der Bergbau in Deutschland wieder. Und geht es nach Marls Oberbürgermeisterin soll die geballte Macht der kommunalen Verbände der CDU an den Bergwerksstandorten gemeinsam mit der RAG imstande sein, die CDU zu beeinflussen. „Ich gehe davon aus, dass wir uns durchsetzen – die Leute in der CDU brauchen eben etwas Zeit, ihren Kurs zu ändern“, glaubt Heinrich – die wurde von der CDU allerdings längst ausgeschlossen. Schließlich würden noch andere Industriezweige wie die Stahlwerke von der gestiegenen Fördermenge profitieren.

Doch selbst der Verband der Stahlindustrie hält nichts von der Idee einer neuen Zeche. Der Nachrichtenagentur Reuters sagte Vorsitzender Dieter Ameling schon mal ab: „Die Unternehmen können ihren Kohlebedarf auf dem Weltmarkt decken“. Eine neue Zeche sei deshalb überflüssig. Doch in die Industrie geht nur ein relativ kleiner Teil der Kohle. Das meiste wird verfeuert: 70 Prozent der deutschen Produktion wandern in die Kraftwerke. Und die sind hierzulande keine Wachstumsbranche, denn der Verbrauch ist nach einer Untersuchung der Technischen Universität Berlin inzwischen auf den Stand von 1990 gesunken.

Doch die RAG hat ein noch viel größeres Problem. Auch in Zeiten nach dem Wahlkampf achten Politiker auf Kosten. Und ein Darlehen durch den Bund und das Land NRW zum Bau der neuen Zeche will niemand gewähren. HARALD SCHÖNFELDER

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