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HESSENS KOPFTUCH-VERBOT FÜR ALLE BEAMTINNEN SCHÜRT KONFLIKTEKulturkampf bei der Kfz-Zulassung

Hessen ist gerettet: Der Landtag hat mit absoluter CDU-Mehrheit das bisher schärfste deutsche Kopftuchverbot beschlossen. Kein hessisches Kind muss im Unterricht eine Lehrerin mit Kopftuch ansehen. Kein Autofahrer muss sein Nummernschild bei einer Beamtin mit Kopftuch beantragen.

Problematisch ist dabei zum einen, dass – wie schon in Baden-Württemberg – christliche Symbole eine Sonderstellung einnehmen sollen. Das ist von der Außenwirkung verheerend, weil es zeigt, dass das ganze Gerede von der „Neutralität des Staates“ nicht ernst gemeint ist und es eben doch um ein Anti-Islam-Gesetz geht. Zum Glück hat das Bundesverwaltungsgericht im Fall der baden-württembergischen Lehrerin Fereshta Ludin schon im Juni klargestellt, dass solche Klauseln verfassungskonform auszulegen sind: Es gilt das „Gebot strikter Gleichbehandlung verschiedener Glaubensrichtungen“. Christliche Glaubensbekundungen dürfen nicht bevorzugt werden.

Besonders radikal ist das hessische Gesetz im Anwendungsbereich: Es gilt nicht nur für Lehrerinnen, sondern für alle Beamtinnen. Nirgends soll der Staat durch Kopftuchträgerinnen repräsentiert werden. Damit verlässt Hessen den vom Bundesverfassungsgericht in seinem Kopftuch-Urteil gesetzten Rahmen. Karlsruhe hatte mit Blick auf die besondere Situation in der Schule präventive Kopftuchverbote zwar nicht für notwendig, aber für zulässig erklärt. Kinder sind beeinflussbar, Eltern sind besorgt, deshalb könnten Kopftuch-Konflikte das Lernklima beeinträchtigen.

Dergleichen kann man von anderen Behörden kaum behaupten. Sieht Roland Koch wirklich die Funktionsfähigkeit seiner Nummernschild-Behörde in Gefahr, wenn die dortige Beamtin ein Kopftuch trägt? Es liegt ziemlich nahe, dass ein Kopftuchverbot hier unverhältnismäßig ist und das Grundrecht auf Religionsfreiheit der betroffenen Beamtinnen verletzt. Doch vermutlich geht es der hessischen CDU gar nicht um Konfliktvermeidung. Vielmehr schürt sie mit ihrem Gesetz absichtlich einen Kulturkampf, von dem sie politisch wieder profitieren will. CHRISTIAN RATH

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