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flick-sammlungDegussa sammelt keine Kunst

Das zeitliche Zusammentreffen ist nur ein Zufall: Die Firma Degussa wird vom Bau des Holocaust-Mahnmals ausgeschlossen, da ein Tochterunternehmen für die nationalsozialistischen Vernichtungslager Zyklon B produziert hat. Und das Parlament von Berlin beschließt, nun doch darüber zu beraten, ob die Stadt der umstrittenen Flick-Sammlung eine Bühne bieten soll.

Kommentarvon ROBIN ALEXANDER

Die Fälle liegen anders: Die Unternehmen der Familie Flick haben Menschen nicht durch Gas, sondern durch Zwangsarbeit ermordet. Aber sonst? Kann man das Management von Degussa, oder gar die Beschäftigten des Unternehmens, stärker in die Verantwortung nehmen als Friedrich-Christian Flick, den Enkel von Hitlers bedeutendstem Rüstungslieferanten? Flick hat sich losgesagt, Degussa eine Vorreiterrolle bei der Entschädigung der Zwangsarbeiter gespielt.

Die Frage nach dem richtigen Umgang mit historischer Verantwortung ist nicht leicht zu beantworten. Wahrscheinlich gibt es sogar gar nicht die eine, richtige Antwort. Deshalb ist das Ringen um den richtigen Umgang umso wichtiger.

Und Berlin? Klaus Wowereit hat entschieden, bevor die Debatte losging. Er hat ein Schnäppchen gewittert: Flick bringt zu seiner Kunst noch ein paar Millionen mit. Das Parlament hat sich der Standortlogik des Regierenden genauso unterworfen wie der PDS-Kultursenator. Auch der Kulturbetrieb und die veröffentlichte Meinung haben über Dokumentationen und Begleitprogramme nur diskutiert unter der Prämisse: Ja zur Ausstellung. Aber eine Auseinandersetzung, deren Ende von vornherein feststeht, ist keine. Berlin stellt sich der historischen Verantwortung nicht, ohne die die Flick-Sammlung nicht zu haben ist. Wir erleben keine Debatte, sondern die bloße Inszenierung einer Debatte: Eine Verhöhnung der Menschen, die gelitten haben.

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