: Schlag für Ägyptens Tourismus
Nach den Attentaten auf der Sinai-Halbinsel sind die Hotels in Taba wie leer gefegt. Die Branche berichtet von massenhaften Stornierungen. Die Behörden legen erste Ermittlungsergebnisse vor
AUS KAIRO KARIM EL-GAWHARY
Eine Woche nach den blutigen Anschlägen auf der Sinai-Halbinsel, bei denen mindestens 32 Menschen, meist israelische Touristen, ums Leben gekommen sind, warten die ägyptischen Sicherheitsbehörden mit ersten Fahndungsinformationen auf. Ein im Sinai lebender Beduine hat angeblich zugegeben, den bei den Anschlägen verwendeten Sprengstoff verkauft zu haben. Die Käufer sollen angegeben haben, den Sprengstoff für einen Anschlag innerhalb Israels oder der palästinensischen Gebiete zu benötigen.
Die ägyptischen Behörden gehen davon aus, dass der Sprengstoff über den Golf von Aqaba von Jordanien oder Saudi-Arabien aus ins Land geschmuggelt wurde. Das Auto, das letzten Donnerstag voll beladen mit Sprengstoff in das Fünf-Sterne-Hotel Hilton gerast ist, soll laut ägyptischer Polizei in Kairo gekauft worden sein.
Noch immer ist völlig unklar, welche Gruppierung hinter den Anschlägen steckt. Die Gamaa Islamiya, Ägyptens größte militante Islamistengruppe, die in den 90er-Jahren für zahlreiche Anschläge auf Touristen verantwortlich gezeichnet hatte, stritt jegliche Beteiligung ab. Führungsmitglieder der Gamaa Islamiya im Gefängnis verurteilten den Anschlag von Taba.
Die ägyptischen Behörden haben offensichtlich auch Kontakte zu militanten palästinensischen Gruppen wie Hamas oder Dschihad Islami aktiviert. Doch beide haben kategorisch erklärt, nichts mit den Attentaten in Ägypten zu tun zu haben. Ein Hamas-Sprecher hatte bereits kurz nach den Anschlägen erklärt, dass seine Organisation „nur innerhalb Palästinas operiert“.
Unterdessen bekommt Ägyptens Tourismusindustrie bereits die ersten verheerenden Auswirkungen der Anschläge zu spüren. „Gestern habe ich unzählige Faxe von den Reiseagenturen erhalten, mit denen wir zusammenarbeiten. Alle verlangen immer das Gleiche: Bitte stornieren sie unsere Reservierung. Die meisten Gäste waren Israelis, wer kann es ihnen verdenken. Wir haben eine Stornierungsrate von 98 Prozent“, erklärt Nadia Schalabi, Managerin des Tobia-Hotels in Taba.
Während sie das stoisch erzählt, sitzt sie in einer völlig leeren Lobby. Auch die zwei Dutzend weißen Liegen am Hotelstrand, direkt am türkisblauen Wasser, sind frei. Das Hotel wurde erst vor sieben Monaten eröffnet, direkt am Vierländereck am Golf von Aqaba, zwischen Ägypten, Israel, Jordanien und Saudi-Arabien. Die Ägypter nennen diesen wohl schönsten Fleck ihres Landes stolz die „Riviera des Nahen Ostens“.
Bis letzte Woche war die Managerin noch voller Hoffnung. Der landschaftlich attraktive Ort sei nicht nur bei Israelis, sondern auch immer mehr bei Europäern im Trend gewesen, erzählt sie. „Ich bin extrem besorgt. Wir sind keine große Hotelkette, sondern nur ein kleiner Familienbetrieb“, sagt sie. „Wenn es so weitergeht, weiß ich nicht mehr, wie ich die Löhne bezahlen soll, und muss Leute entlassen“, beschreibt Schalabi ihre Lage. „Möge Gott uns helfen.“
Am Schwimmbecken findet sich ein letzter israelischer Tourist. Während seine Kinder als einzige im Pool planschen, gibt er sich trotzig: „Für uns Israelis ist so etwas Normalität, jeden Monat, jeden Tag und jede Minute. Es ist ein Krieg gegen den Terror und wir werden ihn gewinnen. Ich fahre nicht verfrüht zurück. Das hier ist schließlich mein Urlaub“, sagt er. Die meisten der 35.000 Israelis, die sich zum Zeitpunkt der Anschläge im Sinai befanden, sind nach Hause geflüchtet.
Die junge Engländerin Dipicar Wishland ist gerade erst angekommen. Ursprünglich war sie im Hilton gebucht, das jetzt unbewohnbar ist. Also ist sie in das benachbarte Hotel ausgewichen. „Wir haben uns überlegt, ob wir noch fahren sollen, aber dann haben wir gedacht, dass es jetzt hier wahrscheinlich einer der sichersten Plätze der Welt ist, weil es nicht kurz nach den Anschlägen gleich wieder krachen wird“, sagt sie. Ausschlaggebend war wohl auch, dass sie das Geld für den Flug nicht zurückerstattet bekommen hat. „Ich fühle mich zwar ein wenig unwohl, aber man kann nicht einfach nur vor den Terroristen weglaufen, zumal so etwas auch in London passieren könnte“, spricht sie sich Mut zu.
Unterdessen haben die israelischen Rettungsmannschaften das ägyptische Taba wieder verlassen. Nur noch vereinzelt sind Teams der ägyptischen Armee zu sehen, die noch die letzten Trümmer vor dem Hilton-Hotel wegschaffen. Aus der Ferne betrachtet, hat die friedliche Atmosphäre der ruhigen Gewässer am Golf von Aqaba und der Lichtspiele der für den Sinai so typischen roten Wüstenfelsen die Szenerie zurückerobert. Nur die schwarz verkohlte Seitenfassade des von weitem herausstechenden 12-stöckigen, ansonsten strahlend weißen Hotelgebäudes erinnert daran, dass der israelisch-palästinensische Konflikt keine Grenzen kennt.
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