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kopftuchstreitMehr Widerstand, bitte!

Es ist an Dreistigkeit eigentlich nicht zu überbieten: Da fällt das Bundesverfassungsgericht ein Urteil, das den Ländern klar untersagt, das Tragen von Kopftüchern im Unterricht zu verbieten – solange es keine gesetzliche Grundlage dafür gibt. Das aber ist der Berliner Senatsverwaltung scheinbar egal. Sie kündigt an, sich über das Urteil hinwegsetzen zu wollen, sollte es zu dem – bisher theoretischen – Fall kommen, dass eine Lehrerin mit Kopftuch unterrichten will.

Kommentar von SUSANNE AMANN

Begründet wird dieses Vorgehen mit dem „Vorgriff auf eine kommende Gesetzgebung“. Vor allem aber ist es Ausdruck dafür, wie wenig Bereitschaft vorhanden ist, sich vor einem neuen Gesetz der Diskussion zu stellen. Statt die Frage nach der Trennung von Kirche und Staat offen zu debattieren, sollen schnell und möglichst ohne Aufsehen Fakten geschaffen werden. Innensenator Ehrhart Körting hat seinen Entwurf dem Koaltitionspartner schon vorgelegt – und hofft, die neue Regelung bis zum Anfang nächsten Jahres durchpeitschen zu können.

Widerstand regt sich bisher wenig – dabei ist er nötiger denn je. Es ist nebensächlich, wie man zu der Frage der Kopftuch tragenden Lehrerinnen steht. Klar ist aber: Eine ehrliche Diskussion über Integration und die Grenzen von Religion ist – gerade in Berlin – überfällig. Der Auftrag, den das Verfassungsgericht mit seinem Urteil den Ländern auferlegt hat, kann deshalb auch als Chance begriffen werden.

Ein einfaches Verbot des Kopftuches löst die Probleme nicht, die hinter dem Konflikt stehen. Das hat Frauensenator Harald Wolf begriffen, als er einen behutsameren Umgang und eine Diskussion statt eines schnellen Verbots forderte. Bleibt zu hoffen, dass er sich mit seiner Meinung durchsetzt – in seiner Partei und bei Herrn Körting.

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