: Milde Strafe für Grenzschutzbeamte
Der Sudanese Aamir Ageeb kam 1999 bei seiner Abschiebung um. Die beteiligten drei Beamten können Beamte bleiben – sie erhielten gestern neun Monate Haft auf Bewährung. Pro Asyl lobte die Verhandlungsführung, kritisierte allerdings das Urteil
AUS FRANKFURT HEIDE PLATEN
Zu je neun Monaten Haft auf Bewährung und Geldstrafen von je 2.000 Euro wegen Körperverletzung mit Todesfolge verurteilte das Frankfurter Landgericht gestern drei Beamte des Bundesgrenzschutzes (BGS). Der Vorsitzende Richter Heinrich Gehrke hielt sie für unzweifelhaft schuld am Tod des Abschiebehäftlings Aamir Ageeb (30) im Mai 1999. Der auf seinem Flugzeugsitz menschenunwürdig gefesselte Mann sei von allen dreien gemeinsam niedergedrückt worden und dadurch erstickt.
Gehrke rügte in seiner Urteilsbegründung die bundesdeutsche Abschiebepraxis. Der Fall Ageeb werfe nur „ein Schlaglicht auf die menschliche Frage“, wie die gesamte Europäische Union künftig mit abgelehnten Asylbewerbern umgehen wolle – vor allem aber mit Menschen, die aus Not „mit der Hoffnung auf ein Leben, auf ein Überleben“ das „rettende Ufer“ Europa erreichen. Wenn ihnen hier kein Platz eingeräumt werden könne, so seien Abschiebungen wenigstens „mit Anstand“, der „minima moralia rechtsstaatlichen Handelns“ durchzuführen. Es gehe nicht an, dass Menschen „eingefangen“ und „eingeschnürt wie Gepäckstücke“ in ihre Herkunftsländer zurückexpediert werden.
Das Gericht blieb unter der gesetzlich eigentlich vorgeschriebenen Mindeststrafe von einem Jahr und ermöglichte den Angeklagten damit eine weitere Beamtenlaufbahn. Gehrke begründete das vor allem mit der Länge des Verfahrens. Als strafmildernd wertete er außerdem die umfassenden Geständnisse der Angeklagten und ihr Bedauern über den Tod Aageebs. Er rügte ausgiebig die mangelnde Ausbildung der Beamten und die „Ignoranz und Inkompetenz“ ihrer Vorgesetzten. Als besonders unerträglich habe er das Verhalten des damaligen Behördenleiters empfunden, der auch im Zeugenstand uneinsichtig geblieben sei und „allen Ernstes“ behauptet habe, die reguläre Polizeiausbildung reiche aus. Zwar habe es viele Anordnungen und Erlasse gegeben, auf deren Einhaltung aber niemand geachtet: „Sie waren das Papier nicht wert, auf dem sie standen.“ Es habe „offenbar des Falles Aageep“ bedurft, um Missstände zu beseitigen. Die Gefahr des lagebedingten Erstickungstodes (PA) von gefesselten Menschen sei bekannt gewesen, aber die Reaktionen bei BGS und Innenministerium seien „gleich null“ gewesen: „Gehandelt wird erst, wenn das Kind in den Brunnen gefallen ist und die öffentliche Kritik gefürchtet wird.“
Den drei Beamten hielt Gehrke zugute, dass sie von PA nichts gewusst hätten. Allerdings hätten sie dennoch fahrlässig gehandelt, schließlich sei das „Komplettverschnüren eines Menschen wie ein wildes Tier“ auch damals verboten gewesen. Außerdem habe Aageeb schon vor dem Start der Maschine geschwitzt, unter dem zusätzlich übergestülpten Motorradhelm über Atemnot geklagt, geröchelt und sich nur gewehrt, weil er keine Luft mehr bekam. Die drei Beamten aber seien, als Aageeb beim Start schrie und sich aufbäumte, ungerechtfertigt „in Panik“ geraten. Statt ihn „einfach schreien“ zu lassen, hätten sie seinen Oberkörper mindestens sieben bis acht Minuten mit erheblicher Kraft heruntergedrückt, den Todeskampf als Gegenwehr verkannt und nicht locker gelassen, bis Aageeb tot war. Die Geldstrafe sollen die Angeklagten an die Angehörigen ihres Opfers zahlen.
Die Menschenrechtsorganisation Pro Asyl lobte gestern die Verhandlungsführung, weil immerhin deutlich werde, dass die Beamten „für die Folgen ihres Handelns verantwortlich sind“. Das niedrige Strafmaß allerdings hinterlasse trotzdem „einen bitteren Beigeschmack“.
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