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DIE CDU WILL DIE RECHTEN INTEGRIEREN UND GEFÄHRDET IHRE REPUTATIONFranz Josef Strauß als Vorbild

Exakt eine Woche ist heute vergangen, seit die antisemitischen Redepassagen des CDU-Rechtsauslegers Martin Hohmann bekannt wurden. Von allen Seiten wird die Partei bedrängt, mit Hohmanns Ausschluss einen klaren Trennungsstrich zu ziehen. Doch die CDU beließ es bei einer Rüge und äußert sich ansonsten arg verschwiemelt.

Das ist kein Wunder, besteht das Erfolgsrezept der Union seit ihrer Gründung 1945 ja gerade darin, den rechten Rand der Republik erfolgreich in das demokratische System zu integrieren. Sie versöhnte die NS-Parteigenossen nach dem Krieg mit dem demokratischen System der Bundesrepublik. Was mit den alten Nazis funktionierte, glückt – bislang – auch mit der neuen Rechten. Dass es im Bundestag keine Neofaschisten gibt wie in Italien, keine Rechtspopulisten wie in Frankreich oder Österreich, das ist eine Konsequenz aus der deutschen Geschichte, aber auch das Verdienst der CDU.

Wähler mit rechtsextremen Neigungen zu integrieren bedeutet aber nicht, sich selbst auf den Boden des Rechtsextremismus zu stellen. Nicht im Traum wäre es selbst einem Integrationskünstler wie Franz Josef Strauß eingefallen, von einem jüdischen „Tätervolk“ zu schwadronieren. Das System funktionierte in der Vergangenheit anders. Die CDU sandte ihre Signale an den rechten Rand oft genug auf nonverbale Art. Helmut Kohl beispielsweise wollte auf einem Vertriebenenkongress auftreten, der unter dem Motto „Schlesien bleibt unser“ stand. Aber er hätte eine solche Wendung nicht selbst in den Mund genommen. Falls doch, wäre es ein schwerer politischer Fehler gewesen.

Ausgerechnet in einer Phase, in der die Integrationskraft der Merkel-Partei ohnehin nachlässt, verletzte der Abgeordnete aus Hessen die Regeln dieses delikaten Spiels. Mit seiner Rede hat er die Partei vor eine Entscheidung gestellt, die sie seit Jahrzehnten um jeden Preis vermeiden will. Entweder hält sie an Hohmann fest und gefährdet ihre demokratische Reputation, oder sie verprellt Teile ihrer Wählerschaft durch eine ungewohnt explizite Distanzierung vom rechten Rand. So zynisch es klingt: Das ist es, was die Christdemokraten ihrem Parteifreund Hohmann am meisten verübeln – nicht seine Gesinnung selbst. RALPH BOLLMANN

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