piwik no script img

Neue Software macht Revier-Städte nervös

Umstellung auf Neues Kommunales Finanzmanagement stockt nicht nur in Düsseldorf wegen Pleiten und Pannen. Vom Land vorgeschriebene Reform des Rechnungswesens kommt Städte teuer. 720 Millionen Euro Gesamtkosten

RUHR taz ■ Der Abschied von der alten Kameralistik macht den Kommunen zu schaffen. Das vom Land vorgeschriebene Neue Kommunale Finanzmanagement (NKF) – die Umstellung auf das betriebswirtschaftliche Rechnungswesen (siehe Infokasten) – funktioniert in mehreren Revier-Städten nicht. Bis zum endgültigen Start der Reform 2009 müssen die Städte ihr gesamtes Vermögen bewerten und ihr Rechnungswesen neu aufbauen. Projektleiter und Fachleute berichten von „Riesenproblemen“ bei der NKF-Reform. Besonders die Software-Umstellung gleicht einer Pannen-Serie. Birgit Frischmuth vom Deutschen Städtetag schätzt die Kosten der Reform „grob auf 40 Euro pro Einwohner“. Bei rund 18 Millionen NRW-Bürgern wären das 720 Millionen Euro – komplett zu zahlen von den NRW-Städten.

„Es gibt Probleme – auch bei der Einführung der Software“, sagt Wolfgang Nickenig, NKF-Projektleiter in Duisburg. Die Hafenstadt gibt für die Reform des Rechnungswesens insgesamt 12 Millionen Euro aus. Ein anderer Buchführungs-Beauftragter will seinen Namen nicht in der Zeitung lesen, sagt aber: „Gerade bei NKF-Software der Firma SAP gab es in Essen, Dortmund, Bielefeld und Münster große Startschwierigkeiten“. Besonders mit dem althergebrachten Gebühren-Management der Stadtkassen seien die marktüblichen Produkte überfordert. „Was in der Wirtschaft funktioniert, ist nicht so einfach auf den Kassenbereich einer Kämmerei übertragbar“, heißt es. Hans-Joachim Skupsch, Sprecher der Stadt Dortmund, räumt Schwierigkeiten in der Vergangenheit ein: „Unsere Experten haben mit SAP und dem Dortmunder Systemhaus Lösungen erarbeitet.“

Vergangene Woche war die Software-Misere in der Stadt Düsseldorf bekannt geworden. Keine Beiträge für Musikschule, Kindergärten und Volkshochschule – die Kommune konnte ihre Bürger wegen Software-Pannen in der Kämmerei nicht zur Kasse bitten. Angeblich ist der Stadt damit ein zweistelliger Millionenschaden entstanden. Die Stadt dementierte die Zahl. Heute tagt der städtische Hauptausschuss zum Thema. Für NKF hatte sich Düsseldorf nicht SAP, sondern ein Konkurrenzprodukt der Firma KIRP (früher RWE systems application) eingekauft.

Das bei der Reform federführende NRW-Innenministerium zieht sich auf die Position zurück, die Probleme hingen angeblich nicht mit NKF zusammen. „Aus keiner Kommune sind uns Probleme bekannt, die auf NKF zurückzuführen sind“, so Ministeriumssprecherin Angelika Flader.

Zwölf NRW-Kommunen haben sich jetzt in Mülheim zu einem NKF-Netzwerk zusammengeschlossen. „Es geht auch um den Erfahrungsaustausch bei der Software-Umstellung“, sagt der Mülheimer Projektleiter Uwe Bonan. Zudem sei die Kooperation gut, um „Positionen gegenüber dem Innenministerium“ zu vertreten. MARTIN TEIGELER

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen