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Eine Vier für den Bundeskanzler

Bis 2015 sollen alle Kinder auf der Welt in die Schule gehen, hat die Staatengemeinschaft versprochen. Die internationale Kampagne „Bildung für alle“ bewertete nun die Glaubwürdigkeit der einzelnen Länder – und vergab vor allem schlechte Noten

aus Berlin KATHARINA KOUFEN

Gestern gab es Zeugnisse im Kanzleramt, Zeugnisse in Entwicklungspolitik. Gerhard Schröder schnitt mit einer Vier als Gesamtnote ziemlich schlecht ab. Von 22 Schülern – darunter die Kollegen aus den EU-Ländern, den USA, Japan und Kanada – waren neun besser als er. Ausgestellt hatte die Zeugnisse die globale Bildungskampagne, ein weltweites Bündnis aus Entwicklungsverbänden und Gewerkschaften.

Bewertet wurde: Wie weit ein Land von dem stets hochgehaltenen Ziel entfernt ist, 0,7 Prozent seiner Wirtschaftsleistung in die Entwicklungshilfe zu stecken. Wie stark sich diese Hilfe auf die ärmsten Länder konzentriert. Und wie sehr sich ein Land für das UN-Ziel engagiert, bis 2015 allen Kindern dieser Welt kostenlosen Zugang wenigstens zu einer Grundbildung zu ermöglichen.

Im Zeugnis des Kanzlers heißt es, er sei „noch weit davon entfernt, die internationale Quote zur Entwicklungsfinanzierung zu erreichen“. Und: „Gerhard scheint stark von Rangeleien zu Hause in Deutschland in Anspruch genommen zu sein. Darunter leidet sein Engagement. Er muss der Grundbildung insgesamt mehr Zeit und mehr Entwicklungshilfe widmen.“

Denn: Bildung ist das A und O von Entwicklungshilfe. „Es erhöht die Produktivität, senkt die Kindersterblichkeit, ist nötig für den Kampf gegen Aids und eine Bedingung für Demokratie“, sagte Jörn Kalinski vom Entwicklungsverband Oxfam gestern nach der Zeugnisverleihung. Wenn die reichen Länder sich nicht stärker für mehr Bildung engagierten, könnten etwa in den Ländern südlich der Sahara erst im Jahr 2150 alle Kinder die Schule besuchen, kritisiert Kalinski. Neben Oxfam gehören von deutscher Seite die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft sowie die Hilfsorganisationen Care und World Vision der Bildungskampagne an.

Zurzeit gehen weltweit mehr als 100 Millionen Kinder nicht einmal zur Grundschule, 150 Millionen haben keinen Schulabschluss. Das UN-Bildungsprogramm Unesco hat ausgerechnet, dass die Weltgemeinschaft pro Jahr 5,6 Milliarden Dollar mehr aufbringen muss, um ihr Ziel zu erreichen. World-Vision-Sprecherin Iris Manner: „Das entspricht den weltweiten Militärausgaben für drei Tage.“

Wie wichtig der Zuschuss ausländischer Geber ist, zeigen die Zeugnisschreiber am Beispiel von Kenia: Dort kündigte Präsident Mwai Kibaki im Januar diesen Jahres an, die Schulgebühren abzuschaffen. Daraufhin wurden 1,3 Millionen Kinder mehr als in den Vorjahren eingeschult. Die öffentlichen Schulen waren aber nicht in der Lage, diese Flut von Erstklässlern aufzunehmen. Der kenianische Bildungsminister bat die reichen Länder um Unterstützung. Kenia ist jedoch bisher nicht Mitglied der „Bildung für alle“-Initative – einem Topf, aus dem reform- und bildungswillige Entwicklungsländer kurzfristig unterstützt werden. Reiche Länder hätten es bisher abgelehnt, mehr als 18 Länder in die Iniative aufzunehmen, erklärt Manner.

Deutschland unterstützt vier Länder, nämlich Guinea, Honduras, Jemen und Mosambique. „Ein angemessener Beitrag zur Initiative“, heißt es lobend im Zeugnis. Insgesamt allerdings fördere die Bundesrepublik die Grundschulbildung mit gerade einmal 1,5 Prozent ihres Entwicklungsetats viel zu wenig, monieren die Verbände. Deshalb: Sechs!

Vielleicht sollte der Bundeskanzler künftig bei seinem Nachbarn abschrieben. Der holländische Regierungschef Jan Peter Balkenende wurde Klassenbester. Seine Regierung gibt so viel Geld für Entwicklungshilfe aus, dass sie das 0,7-Prozent-Ziel erreicht. Schlechtester Schüler ist übrigens Neuseeland – mit einer glatten Sechs.

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