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PRO: DER STABILITÄTSPAKT MUSS VON ALLEN EINGEHALTEN WERDENAffront gegen kleine Länder

Als sich die EU-Mitgliedsländer 1992 auf die Einheitswährung einigten, legten sie strenge Kriterien dafür fest, wer seine Münzen und Scheine in den Topf werfen darf. Vor allem die Deutschen wollten verhindern, dass die gute harte D-Mark durch undisziplinierte Haushaltsführung lockerer Südländer in einen Inflationsstrudel gerissen wird. Griechen und Spanier verordneten daraufhin ihren Bürgern eiserne Spardisziplin, um sich ein Eintrittsticket in den Euroraum zu verdienen.

Einen ruhigen Nachtschlaf bescherte das deutschen Finanzpolitikern nicht – im Gegenteil. Denn der Maastrichter Vertrag regelt nur den Beitritt zur Eurozone. Er sagt nichts darüber, wie man dessen Mitglieder auch danach zu ordentlicher Haushaltsführung zwingen könnte. Deshalb beschlossen die Staats- und Regierungschefs 1996 den Stabilitätspakt – hauptsächlich auf deutsches Drängen.

Die Idee, die dahinter steckt, ist heute so richtig wie vor sieben Jahren: Die Finanzpolitik der Euroländer ist durch die gemeinsame Währung viel enger als vorher aneinander gekoppelt. Verletzt einer die Spielregeln, müssen alle anderen das mit ausbaden. Machten die Spanier fröhlich Schulden, wären deutsche Sparer zu Recht empört. Wenn die Sache umgekehrt läuft, ist es nicht besser.

Man kann zu dem Schluss kommen, dass der Pakt zu unflexibel ist und die Konjunkturentwicklung zu wenig berücksichtigt. Wenn die Euroländer alle dieser Meinung sind, hindert sie niemand daran, ihn zu ändern. Genug Ideen dafür liegen auf dem Tisch. Wenn er aber stattdessen auf dem Papier bestehen bleibt, auf kleine Länder wie Portugal angewendet und für die zwei Großen, Frankreich und Deutschland, ausgesetzt wird, ist nicht nur der wirtschaftliche, sondern auch der politische Schaden enorm.

Der niederländische Finanzminister Gerrit Zalm hat bereits angekündigt, die Farce im Ministerrat werde Auswirkungen auf die Regierungskonferenz haben. Das darf niemanden wundern. Wenn kommenden April die Beitrittsrunde abgeschlossen ist, werden zu den sieben Zwergen in der EU weitere neun hinzukommen. Sie können nicht hinnehmen, dass um der gemeinsamen Sache willen strenge Regeln verfasst werden – die aber große Länder nach Lust und Laune sabotieren dürfen.

Deshalb werden die kleinen Länder darauf bestehen, dass jeder Winzling im Notfall die Gemeinschaft stoppen kann. Einen Kommissar für jedes Land und Vetorecht in allen wichtigen Politikbereichen werden sie als Sicherheitsgarantie verlangen. Nicht nur der Stabilitätspakt wurde gestern in Brüssel beerdigt – die Gemeinschaftsidee insgesamt hat einen schweren Rückschlag erlitten.

DANIELA WEINGÄRTNER

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