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Staatsbegräbnis für einen Präsidenten ohne Staat

Mit einem Staatsakt ehrt die ägyptische Regierung den verstorbenen Arafat. Die arabische Welt ist durch ihre Staatschefs vertreten, Europa schickt Minister

KAIRO taz ■ Ägypten war für Jassir Arafat stets das Tor zur Welt. In Kairo wurde er geboren und vor zehn Jahren kam er über Ägypten erstmals wieder aus dem tunesischen Exil zurück nach Palästina. Am Freitagmittag trat Jassir Arafat erneut und ebenfalls über das Land am Nil seine letzte Reise zu seinem Begräbnis nach Ramallah an.

Die Arrangements für das Begräbnis des Palästinenserchefs Jassir Arafat waren so bizarr wie der Nahostkonflikt selbst. Es war ein Staatsbegräbnis für einen Präsidenten ohne Staat, und daher musste es außerhalb des palästinensischen Territoriums stattfinden. Da Israel den Zugang zur letzten Ruhestätte Arafats in Ramallah kontrolliert, mit dem, abgesehen von Ägypten und Jordanien, kein arabisches Land Friedensverträge unterschrieben hat, nahmen die offizielle arabische Welt wie auch Präsidenten, Ministerpräsidenten und Außenminister aus 40 Ländern am Freitagmorgen im benachbarten Ägypten Abschied von Arafat, unter den Palästinensern auch Abu Amar genannt.

Eine ägyptische Zeitung hatte zuvor Arafat selbst ein letztes Mal den Konsens formulieren lassen, der überall in der arabischen Welt als das entscheidende Erbe des mit 75 Jahren Verstorbenen gilt. „Was war das Wichtigste, was Sie in Ihrem Leben erreicht haben“, fragte die Zeitung in einem der letzten Interviews mit Jassir Arafat, das nur wenige Tage vor seiner mysteriösen Krankheit stattgefunden hatte. Arafats Antwort: „Wir haben es geschafft, das palästinensische Problem zum größten internationalen Problem zu machen. Israel hat erfolglos versucht, uns vergessen zu machen. Wir folgen damit nicht dem Schicksal der Indianer.“

So waren sie denn auch alle zur letzten Lesung der Fatiha, der Eröffnungssure des Korans, in einer Moschee in einem Militärkomplex in Kairo erschienen. Anschließend sprachen die arabischen Delegationen dann nacheinander den Vertretern der palästinensischen Delegation, geführt von Mahmud Abbas, der die Geschäfte von Arafat übernehmen wird, in einem mit Teppichen ausgelegten islamischen Trauerzelt ihr Beileid aus.

Kurz darauf wurde Arafats Sarg auf einer Kanonenstafette aufgebahrt, die dann, von Pferden gezogen, auf eine der großen Einfallstraßen der Stadt gefahren wurde. Dort stieß der Rest der nichtmuslimischen Staatsmänner zu dem Trauerzug und ging für eine Viertelstunde hinter der ägyptischen Ehrengarde her, die den Sarg säumte.

Für die ägyptischen Organisatoren war es offensichtlich wichtig, den Zeitplan einzuhalten, damit Arafat rechtzeitig nach Ramallah gebracht werden konnte, wo er noch vor Sonnenuntergang begraben werden sollte. Die Organisatoren nahmen in Kauf, dass zahlreiche Trauergäste die Feierlichkeiten nicht rechtzeitig erreichen konnten, weil der Kairoer Flughafen hoffnungslos überlastet war.

Waren die meisten arabischen Länder durch ihre Staatschefs vertreten, so wurden die europäischen Staaten überwiegend durch ihre Außenminister präsentiert. Aus Washington kam mit William Burns lediglich ein Staatssekretär des Außenministeriums, was von arabischer Seite als Affront gesehen wurde. „Washington hat erneut nicht verstanden, wie wichtig Gesten für die Araber sind, und sie haben wegen ihrer Kleinkrämerei erneut die Chance verpasst, einen Neuanfang zu machen“, erklärte ein ägyptischer Beobachter bitter.

Zwei Stunden nach Beginn der Trauerfeierlichkeiten wurde Arafats Sarg schließlich pünktlich zum Militärflughafen al-Masa gebracht, wo er in eine ägyptische Militärmaschine verladen wurde und nach al-Arisch im Nordsinai geflogen wurde, um dann erneut in einen ägyptischen Hubschrauber umgeladen und nach Ramallah geflogen zu werden. Dort spielten sich dann Szenen ab, von denen die zur offiziellen Trauerfeier in Kairo gereisten arabischen Präsidenten, Könige und Emire für ihr eigenes Begräbnis nur träumen können.

KARIM EL-GAWHARY

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