: Ein Verehrer Hitlers
NDP-KADER Die Partei verdankt ihm Nachwuchsarbeit und die Hilfe der Freien Kameradschaften. Doch der Hamburger NPD-Bundesvize Jürgen Rieger ist wegen seines Rassismus in den eigenen Reihen umstritten
Die Amtsübernahme Jürgen Riegers macht sich in der Hamburger NDP, die bei der letzten Wahl zugunsten der DVU nicht antrat, bemerkbar: Der Landesverband hat einen leichten Mitgliederzuwachs. Vor allem ist die Partei aber wesentlich aktiver als unter seiner Vorgängerin: Die „Freien Kameradschaften“, die bei Riegers Amtsantritt Unterstützung versprachen, halten Wort: Sie verteilen für die NPD Flugblätter gegen „Überfremdung“ und „Lohndumping“, richten Infostände aus. Rieger selbst führt seit Jahren Nachwuchs in die politische Arbeit ein. In seiner Kanzlei wird derzeit eine Frau aus der Szene zur Rechtsanwaltsgehilfin ausgebildet. AS
VON ANDREAS SPEIT
Fast unscheinbar kommt er daher. Hier am Altonaer Bahnhof fällt er nicht auf. Viel Wert legt der Herr mit Bart nicht aufs Äußere. Die Kleidung weder schick, noch auffällig. Keine Accessoires, die verraten, dass dieser über 60-Jährige mit Millionen Euro regelmäßig um Immobilien streitet. Ein wenig ungepflegt wirkt der Wartende an jenem Hamburger Bahnhof gar. Und doch schaut sich ein jüngerer Mann kurz um, schüttelt den Kopf. Er hat ihn erkannt: Jürgen Rieger, Nazianwalt und NPD-Bundesvize.
Seit fast vierzig Jahren ist der Sohn einer Arztfamilie wegen seiner Politik und Immobiliengeschäfte in den Medien. Ob der heutige Tag, der 20. April, für Rieger ein besonderer Tag ist? Verläuft sein Arbeitstag in seiner Kanzlei im feinen Blankenese am Geburtstag Adolf Hitlers anders? Selbst in der NPD wird ihm eine „unreflektierte Hitler-Verehrung“ unterstellt. Rieger schwärmt von Hitler als dem „größten deutschen Staatsmann“ und dessen „charismatischer Persönlichkeit“.
Kritik an seinen Vorstellungen, etwa von Parteifreunden, die sich um das bemüht bürgerliche Image sorgen, vergisst er nicht. Rieger soll nachtragend sein. Auf Parteitagen scheut er sich nicht, Kontrahenten anzugehen. Hält ihnen anderenorts vor, sie hätten im Dritten Reich nicht mal Blockwart werden können.
Seine Liebe zum Nationalsozialismus scheint weit zu gehen. Er sammelt Wehrmachtsfahrzeuge und Uniformen. 1994 verhängte das Amtsgericht Blankenese eine Geldstrafe, weil Rieger in einem Wehrmachtskampfanzug mit einem VW-Militärkübelwagen mit SS-Abzeichen herumfuhr. 2009 stellte die Polizei bei ihm ein Sturmgewehr sicher. Er will es als „Deko-Waffe“ ersteigert haben. Auf seiner „Heimatseite“ scherzt Rieger, dass doch jeder wisse, dass er sich mit einer Axt gegen die Antifa wehre: „Da ich ein Faible für Wikinger habe, sagt mir das mehr zu“, schreibt er. Diese Rückbesinnung aufs Geschichtliche ist mehr als ein Spleen.
Über Jahrzehnte wirkte Rieger, der mehrere Kinder hat, führend bei der „Artgemeinschaft – Germanische Glaubensgemeinschaft wesensgemäßer Lebensgestaltung e. V.“ mit. Ihn treibt die angebliche Entfremdung des arischen Menschen von der ureigenen Religion um. „Die Wurzeln unserer Kultur liegen nun mal im Germanentum, insbesondere in germanischen Bräuchen“, verkündet er. Andere Religionen möge man „gutheißen“ können, aber es würde immer „Abweichungen zu unseren Ausfassung geben, die nur mit Gewalt mit unseren Gedanken in Einklang gebracht werden könnten“. Der Grund für ihn: „Weil sie von andersrassigen Menschen geschaffen wurden.“
Die religiöse Orientierung geht bei Rieger mit dem politischen Engagement einher. So denkt er, die Genmischung wäre auch die Ursache, dass „die Türken“ so „hochgradig aggressiv“ seien. Er weiß denn auch: „Diese Türken wollen die Herrschaft hier.“ „Von der christlichen Moral“ will er zu einer „biologisch begründeten Ethik“. Und das auch ganz praktisch.
Im niedersächsischen Dörverden hofft er, auf dem Heisenhof „Fruchtbarkeitsforschung“ betreiben zu können. Er versicherte gegenüber Medien, „dass blauäugige Frauen nur den Samen eines ebenfalls blauäugigen Mannes“ bekämen. Auf dem Landgut Sveneby in Schweden plante er mit „Artgenossen“ einen Ökobauernhof zu errichten, für den er sogar EU-Gelder einstrich. Reiki- und Yoga-Seminare scheiterten jedoch, als die taz berichtete und die Seminaranbieter zurückzogen.
Der Gerichtssaal ist der Ort, wo Rieger sich kompromisslos gibt. Er nutzt ihn aber auch als Bühne, auch um wiederzugeben, dass das Warschauer Ghetto eine „seuchenhygienische Maßnahme“ war. Die Staatsanwaltschaft Mannheim warf ihm vor, bei einer Verteidigung eines Holocaustleugners selbst den Holocaust verharmlost zu haben.
In gewissen Kreisen gefällt dies. Ihm vertrauen Altnazis und vermachen ihm ihr Erbe. „Erbschleicher“, heißt es in der rechten Szene hinter vorgehaltener Hand. Mit diesen Geldern erwarb er seine Immobilien.
Auch die „Freien Kameradschaften“ (FK) stehen treu hinter ihm. Zuvor initiierte er nur mit vertrauten Vereine und baute Schulungszentren auf. Als er erst 2006 in die NPD eintrat und 2007 den Hamburger Landesvorsitz übernahm, versicherten die Kameradschaften ihm erneut die Treue. Diese Netzwerke sind nun für den intern durchaus Umstrittenen seine Hausmacht.
Anja Zysk, ehemalige Hamburger Landesvorsitzende der NPD, musste Rieger 2007 das Amt überlassen. Sie behauptet, dass Rieger ein rückwärts gewandtes Frauenbild vertrete: „Frauen sollten lieber Kinder kriegen.“ Eine Liebelei brachte Rieger, der sein Privatleben sorgsam unter Verschluss hält, im vergangenen Jahr in die Schlagzeilen. Eine Gelegenheitsprostituierte plauderte über ihre Affäre mit ihm, unterstellte Misshandlungen und Impotenz. Manche Parteifreunde sorgt viel mehr, dass Rieger durch Darlehen die Parteigeschicke verstärkt beeinflusse. Sein offen „obsessiver Rassismus“, so befürchten sie, könnte Wähler abschrecken.
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