piwik no script img

Der Mann wäscht weniger

Beruf und Haushalt zusammengerechnet, arbeiten Frauen mehr als Männer. Stimmt dieses Vorurteil? Familienministerin Schmidt meint: ja. Doch das stimmt fast nur noch für Rentnerpaare

VON MATTHIAS URBACH

Frauen arbeiten mehr als Männer, so glaubt der aufgeklärte Zeitgenosse zu wissen. Stimmt das Vorurteil? Es stimmt, sagt Renate Schmidt, unsere Familienministerin: „Addiert man bezahlte und unbezahlte Arbeit, arbeiten Frauen 43 Stunden und Männer 42 Stunden pro Woche.“ Und dann bricht die Ministerin eine Lanze für die Frau. Nur leider stimmt das Vorurteil nicht – oder zumindest: nicht ganz.

Frau Schmidt schöpft ihre Weisheit aus einer von ihrem Haus in Auftrag gegebenen Studie des Bundesamtes für Statistik mit dem schönen Titel „Wo bleibt die Zeit?“.

Dafür haben 5.400 Haushalte über ihre „Zeitverwendung“ im Beruf und in der Hausarbeit Tagebuch geführt. Das Ergebnis ist eine kleine rote Broschüre (beziehungsweise ein PDF-File auf der Homepage www.destatis.de). Die Broschüre ist spannend – wenn man sie richtig liest. Denn mit Statistik ist das so eine Sache, das sagte auch Frau Schmidt bei der Vorstellung der Broschüre gestern in Berlin: „Wenn ich mich mit dem Po auf die Herdplatte setze und die Hände im Eisfach, fühle ich mich statistisch gesehen wohl.“

Richtig. Und wenn man die Rentnerinnen außen vor lässt, dann arbeiten die Männer mehr als die Frauen, wie man der Broschüre auf Seite 15 über die tägliche „Arbeitsteilung von Paaren“ entnehmen kann.

Im Detail sieht das so aus: Sind Mann und Frau berufstätig und kinderlos, arbeitet sie insgesamt 7 Stunden 54 Minuten, er 4 Minuten länger. Haben beide Kinder und er ist berufstätig, arbeitet sie 7 Stunden 29 Minuten und er über eine Stunde länger. Selbst wenn beide mit Kindern berufstätig sind, arbeitet er täglich noch 11 Minuten mehr.

Nur Rentnerinnen arbeiten täglich eine Stunde länger als ihre Männer. Über die Gründe kann man trefflich spekulieren: Vermutlich greift hier häufig noch die alte Arbeitsteilung zu Lasten der Frau.

Vermutlich sind die Männer aufgrund der geringeren Lebenserwartung aber auch viel häufiger nicht mehr arbeitsfähig als die Frauen. Und zuweilen sind die Rentnerinnen vermutlich einfach rastloser als ihre abgearbeiteten Partner.

Im Broschürentext wird eigens darauf hingewiesen, wie sehr die Frauen doch im Haushalt allein gelassen werden. Klar: wenn die Männer lange im Büro festhängen. Auch Frau Schmidt vertiefte gestern ganz emanzipiert solche Details wie die Flucht der Männer vor der Waschmaschine: Die Frauen waschen laut Statistik über eine halbe Stunde, die Männer verbringen vor der Maschine im Schnitt nur 2 Minuten – wenn sie nicht repariert werden muss, denn Reparaturen erledigen natürlich überwiegend die großen Jungs (was Frau Schmidt offenbar okay findet).

Die Entscheidung, wer tatsächlich mehr arbeitet, ist dann aber doch ein wenig kniffliger. Arbeiten nämlich Mann und Frau beide Vollzeit im Beruf, dann schuften die Frauen alles in allem (inklusive Hausarbeit) 15 Minuten länger für die Familie als ihre Männer. In diesem Fall stimmt das moderne Vorurteil.

Und noch ein Aspekt ist interessant: Jedes fünfte Kind wächst bei nur einem Elternteil auf, Alleinerziehende sind aber zu 84 Prozent Frauen. Und diese Heroinnen des Alltags müssen im Schnitt eindreiviertel Stunden länger arbeiten als gemeinsam erziehende Frauen. Und damit auch länger als der Durchschnittsvater.

Dabei ist erstaunlich, auf wie wenig Arbeitszeit die Statistiker im Schnitt kommen: Wer hätte gedacht, dass Eltern bloß 8 Stunden am Tag arbeiten? Sind die Kinder allerdings unter 6 Jahren, steigt die Zeit drastisch auf 11,5 Stunden, die Mütter dann arbeiten. Wie viel die Väter von kleinen Gören arbeiten, gibt die Studie leider nicht her.

Die Männer sind also besser als ihr Ruf. Immerhin jeder dritte berufstätige Väter wünscht sich gar mehr Zeit für die Familie (jede vierte Frau wünscht mehr Zeit für ihren Beruf). Der Rest ist, so scheint es, zufrieden: Die Zufriedenheit mit der Rollenaufteilung ist also größer als die Unzufriedenheit damit.

Im Übrigen haben Männer den Ruf, ihre Kinderbetreuung bestehe praktisch nur aus Fußballspielen. Das Vorurteil ist aber auch falsch. Zwar spielen die Männer einen großen Teil ihrer Betreuungszeit mit den Kleinen (rund 40 Prozent). Aber absolut spielen die Männer nur 28 Minuten mit den Kindern, Frauen dagegen 34 Minuten.

Bei der letzten Studie dieser Art (1992) hatten die Frauen noch 10 Prozent mehr zu Hause gearbeitet – und entsprechend größere Lasten der Gesamtarbeit getragen. Der Grund für den Rückgang: Inzwischen sind mehr Frauen erwerbstätig und weniger Familien haben Kinder. Und vielleicht lassen sie sich auch nicht mehr so selbstverständlich für die Hausarbeit verpflichten. Aber das ist der Statistik leider nicht zu entnehmen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen