: Kusch schlägt auf Juristinnen ein
Justizsenator Roger Kusch fordert standesrechtliche Konsequenzen für Initiatorinnen des Frauenhaus-Appells von Anwälten und Richtern. Rechtsanwaltskammer weist das Ansinnen zurück und kritisiert Einflussnahme-Versuch auf Richterschaft
Von Kai von Appen
Justizsenator Roger Kusch (CDU) hat im Frauenhaus-Konflikt zum rechtlichen Feldzug ausgeholt: Er hat die Hanseatische Rechtsanwaltskammer aufgefordert, gegen Initiatorinnen des „Appell Hamburger Juristinnen und Juristen – das 1. Hamburger Frauenhaus muss bleiben“ standesrechtliche Schritte einzuleiten. In einem Briefwechsel mit der Kammer, der der taz hamburg aus Behördenkreisen zugespielt worden ist, forderte er, gegen die Anwältinnen Birgit Boßert, Mechthild Garweg, Ulrike Horstmann und Ilka Quirling die „gebotenen Maßnahmen zu ergreifen“. Grund: RichterInnen seien in Funktion im Aufruf aufgeführt worden.
Im Konflikt um die geplante Schließung des 1. Frauenhauses ist am 27. Oktober in der taz ein von 433 JuristInnen unterzeichneter Aufruf erschienen, in dem der Erhalt der Einrichtung als Schutzraum für gewaltbedrohte Frauen und ihre Kinder gefordert wurde. Neben 331 AnwältInnen hatten auch 47 RichterInnen unterzeichnet, so die Präsidentin des Sozialgerichts, Marianne Schulze, und die Vizepräsidentin des Landesarbeitsgerichts, Ingrid Teichmüller.
Kusch nimmt den Umstand, dass die Funktion angegeben war, zum Anlass, um gegen die Initiatorinnen vorzugehen, da damit die Sozialgerichtspräsidentin in den Verdacht geraten sei, „die Grenzen der auch für Richter grundsätzlich zulässigen politischen Betätigung überschritten zu haben“, schreibt er. „Dem Ansehen der gesamten Justiz in Hamburg“ sei Schaden zugefügt worden, „da der Anschein erweckt wurde, die Präsidentin des Sozialgerichts setzte bei der Diskussion einer tagespolitisch Aufsehen erregenden Frage das Gewicht ihres exponierten Richteramtes ein“.
Marianne Schulze hat wohl den Ärger geahnt. „Ich habe als Privatperson unterzeichnet und meine Meinung geäußert – nicht in Funktion“, erklärt sie der taz hamburg. „Insofern find‘ ich das nicht in Ordnung.“
Der Präsident der Rechtsanwaltskammer, Axel C. Filges, versteht indes den Aufruhr nicht, erteilt Kusch eine klare Abfuhr und gibt ihm staatsrechtlichen Nachhilfeunterricht. Die Kolleginnen hätten sich in einer tagespolitischen Frage als Staatsbürgerinnen öffentlich zu Wort gemeldet. „Dabei steht es ihnen selbstverständlich frei, ihre Berufsbezeichnung zu verwenden.“
Für Filges ist nicht zu erkennen, dass „irgendwelche Grenzen überschritten“ worden seien, dies gelte auch für die Aufnahme der Berufsbezeichnung der Sozialgerichtspräsidentin in die Unterschriftenliste. „Insbesondere dürfte für die Initiatorinnen nicht zu erwarten gewesen sein, dass in einer liberalen Stadt wie Hamburg das Unterzeichnen einer kritischen Publikation für eine Richterin offenbar auch nur Begründungsnotwendigkeiten zur Folge haben könnte.“
Filges hält Kuschs Vorgehen für höchst bedenklich: „Dem Ansehen der gesamten Justiz in Hamburg wird meiner Überzeugung nach mehr Schaden zugefügt“, rügt Filges, „wenn die Politik auch nur den Anschein erweckt, auf unabhängige Richterinnen und Richter politisch Einfluss ausüben zu wollen.“
Für Mitinitiatorin Mechthild Garweg ist das Vorgehen von Kusch symptomatisch. „Hier soll eingeschüchtert werden“, sagt Garweg, „da die Schließung des Frauenhaus politisch unhaltbar ist, versucht Kusch nun einen Nebenkriegsschauplatz aufzubauen, um das politische Desaster zu vertuschen.“ Garweg erinnert: „Es ist Aufgabe unserer Verfassung, Frauen und deren Kinder aktiv und effektiv vor Gewalt zu schützen.“
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