: So rüstig wie nie
RÜSTUNGSBERICHT Deutsche Rüstungsexporte stiegen in den vergangenen fünf Jahren um 70 Prozent. Hauptabnehmer waren dabei Griechenland und die Türkei
Rüstungsexperte Otfried Nassauer
AUS BERLIN ULRIKE WINKELMANN
Das Volumen der deutschen Rüstungsexporte hat in den Jahren 2004 bis 2008 gegenüber dem Zeitraum 1999 bis 2003 um 70 Prozent zugenommen. Der Großteil dieses Anstiegs, schreibt das Stockholmer Friedensforschungsinstitut Sipri in einem am Montag veröffentlichten Bericht, ist auf den innereuropäischen Export zurückzuführen, „der um 123 Prozent anwuchs“. Hauptabnehmer waren Griechenland und die Türkei, die zusammen allein ein Drittel der deutschen Waren aufkauften.
Damit ist Deutschland der drittgrößte Waffenexporteur der Welt. Im Zeitraum von 2004 bis 2008 betrug der deutsche Anteil am weltweiten Rüstungsexport nach Sipri-Angaben 10 Prozent. Mehr Waffen exportierten nur die USA (31 Prozent) und Russland (25 Prozent). In den Jahren 1999 bis 2003 lag Deutschland noch bei 7 Prozent. Den Gesamtwert der deutschen Rüstungsexporte in den vergangenen fünf Jahren bezifferte Sipri auf 8,7 Milliarden Euro.
Exportschlager waren dabei vor allem neue und gebrauchte Leopard-2-Panzer sowie U-Boote und andere Kriegsschiffe. Griechenland und die Türkei unterhalten beide relativ starke Wehrpflichtarmeen und brauchen deshalb viel Gerät. Laut dem jüngsten Rüstungsexportbericht der deutschen Bundesregierung hat Deutschland allein im Jahr 2007 an Griechenland 173 Kampfpanzer der Typen Leopard 1 und 2 geliefert, an die Türkei 113 Leopard 2.
„Deutschland ist die Brennstoffzelle für den griechisch-türkischen Rüstungswettlauf“, sagte der Berliner Rüstungsexperte Otfried Nassauer gegenüber der taz. Ein Ende des griechisch-türkischen Wettrüstens ist trotz stark gesunkener Kriegsgefahr noch nicht in Sicht. Griechenland ist zwar hoch verschuldet, fühlt sich jedoch mit seinen 176.000 Soldaten von der 515.000 Soldaten starken Armee der Türkei bedroht.
Die deutsch-griechische Handelspartnerschaft leidet aber seit über zwei Jahren darunter, dass Griechenland mehrfach die Qualität gelieferter Ware – sogar der weltweit begehrten Leopard-Panzer – in Zweifel gezogen hat. So hat die HDW-Werftengruppe bei Athen ein U-Boot gebaut, das Griechenland jetzt nicht mehr bezahlen will, weil es angeblich schief im Wasser liege. Die jüngsten Geschäfte hat die Regierung von Kostas Karamanlis schon nicht mehr mit Deutschland, sondern mit Frankreich verhandelt und teils abgeschlossen.
Laut Berhard Moltmann von der Hessischen Stiftung Friedens- und Konfliktforschung könnte der Höhepunkt der Belieferung Griechenlands und der Türkei bereits überschritten sein. Dafür spricht auch, dass im Vergleich der Empfängerländer beide Länder um mehrere Ränge zurückgefallen sind. Die 70-prozentige Zunahme des deutschen Exportvolumens in den vom Sipri-Institut verglichenen Fünfjahreszeiträumen sei zwar bemerkenswert, sagte Moltmann zur taz: „Doch könnten sich die Relationen in den kommenden Jahren wieder verschieben.“
Die Bundeswehr habe im Zuge ihrer eigenen Umrüstung ihr gebrauchtes Großgerät jetzt weitgehend verscherbelt. Die vorliegenden Exportzahlen der jüngeren Zeit zeigten außerdem, dass die deutsche Industrie sich umorientieren müsse und werde, sagte Moltmann: „Indien, Indonesien, Südamerika könnten die nächsten Märkte sein.“
Marc von Boemcken vom Bonner Friedensforschungsinstitut BICC sagte, es sei besonders bedenklich, dass Deutschland zu den Exporteuren gehöre, „die zur Militarisierung des Nahen und Mittleren Ostens beitragen“. Sipri misst für 2004 bis 2008 einen Anstieg der Exporte in diese Region um 38 Prozent.
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