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ORTSTERMIN VON BENNO SCHIRRMEISTERDie Wonne der Nachtfalter

Tradition verpflichtet: Die Geschichte der Bremer Straßenbeleuchtung beginnt bereits im Jahre 1698

In Bremen haben sie jetzt neue Laternen. Das heißt, noch nicht in der ganzen Stadt, aber wenigstens in Claudio Pizarros Straße. Die letzte ist gestern montiert worden, im Beisein von Amtsleitern, Vorständen, des Lampen-Vertriebsleiters, des Senators – alle festlich in Anzug und Schlips, direkt über dem Straßenkreuzer des Spitzensportlers, na, der wird sich vielleicht freuen.

„Der Wechsel der Straßenbeleuchtung“, sagt Uwe Schramm, Vorstand des Energiekonzerns SWB, „ist keine ganz so triviale Angelegenheit.“ Das bezieht sich nicht auf die Installation, denn die ist simpel: Aus sicherer Entfernung beäugt von den Anzugträgern steht ein Mann im gelben Overall auf der Leiter, wo er die alte Lampe abschraubt, dann wird die neue hochgereicht und fixiert. Ein anderer Arbeiter kniet vorm Pfahl, öffnet die Klappe, arrangiert die Verkabelung. Wie sein Kollege trägt er Helm – und eine Schutzbrille, aber keine Panik: Das ist nur Dienstvorschrift. Banal. Und trotzdem hat Schramm Recht, auch wenn du erst natürlich denkst: Wie denn, was denn, neue Straßenlaterne, Pressetermin – stecken die in Bremen noch tief im 19. Jahrhundert? Oder feiern die jetzt jede Pflichtausgabe die trotz Haushaltsnotlage noch zustande kommt?

Aber gekommen ist nicht die Finanzsenatorin, sondern Reinhard Loske (Grüne). Seine Ressorts sind Umwelt, Bau, Verkehr und Europa, und die passen irgendwie alle: Europa, weil Brüssel das Verbot von Quecksilberdampflampen plant. Bau, weil die neue Lampe eingebaut sein will, und Verkehr, weil sich alles um eine Straßen-Laterne dreht.

Umwelt aber wäre am einleuchtendsten: Denn die neue Lampe basiert auf der Licht-emittierende-Dioden-Technologie, kurz LED. Bremen, so hebt Loske hervor, sei die erste Stadt, die anfängt, die neue Technik flächendeckend einzuführen, liege also, lichttechnisch, im Gegensatz zu allen Hintlerwäldlerverdächtigungen weit vorne. Wie im Grunde schon immer in Sachen Straßenbeleuchtung, deren Geschichte hier bis 1698 zurückreicht, als in der Langenstraße …

Ja, selbst die Lampe, die vor Pizarros Haus ersetzt wird, ist schon eine fortschrittliche Niedrigenergielaterne, so dass die durch den Wechsel erreichte Strom- und CO2-Ersparnis sich so sensationell nicht anhört: Statt 26 verbraucht sie nur 22 Watt, macht minus 15,384 Prozent. Sie heißt übrigens Stella, länger halten soll sie auch, 100.000 Stunden oder 25 Jahre Normalbetrieb, 15 läuft die Garantie. Die Wartung ist einfach, die Betriebskosten niedrig – bloß der Preis bleibt unerwähnt.

Laut Hersteller Indal hat Stella noch ganz andere Vorzüge: Zum Beispiel soll sie weniger in den Himmel abstrahlen, zur Wonne von Nachtfaltern und Hobbyastronomen, wobei, was freut schon einen Nachtfalter? Oder, anderes Beispiel: die Lichtpunkte. Dass die reichen, Fahrbahn und Bürgersteig zu erhellen, wird theoretisch plausibel erörtert. Aber überprüf das mal um 13 Uhr im April, bewölkt, aber taghell – da lässt sich mühsam erkennen, dass sie überhaupt funktioniert: Okay, das tut sie. Aber das ist ja wohl das Mindeste. Nein, der Termin ist nicht gut gewählt. Die Freiluftlichttechnik der Zukunft hätte einen glänzenderen Auftritt verdient.

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