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Der Schein begeisterte die Börsianer

Der Prozess gegen den Stadtplan-Erben Alexander Falk hat mit Schlagabtausch zwischen Verteidigung, Anklage und Gericht begonnen. Der „Börsenstar“ soll durch Scheinaufträge den Kurs seiner Firma an Börse in die Höhe getrieben haben

von Kai von Appen

Das spektakuäre Wirtschaftsverfahren gegen den Stadtplan-Erben und Internet-Yuppie Alexander Falk hat gestern mit einem Paukenschlag begonnen: Noch vor Verlesung der Anklage stellten die Verteidiger Gerhard Strate und Thomas Bliwier gegen die Wirtschaftskammer des Landgerichts Hamburg einen Befangenheitsantrag und forderten die Aussetzung des Verfahren. Damit setzte die Verteidigung den juristischen Schlagabtausch fort, der die Hamburger Justiz mehrfach in Turbulenzen brachte und sogar das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) zum Einschreiten bewegte. Falk befindet sich – laut Verteidigung „unverhältnismäßig“ – seit 17 Monaten in Untersuchungshaft. Ihm wird schwerer Betrug durch Kursmanipulation vorgeworfen.

Die Verteidiger rügten in ihrem Antrag „massive Rechtsverstöße“ durch Staatsanwaltschaft und Gericht: So hätte das Verfahren unter den jetzigen Voraussetzungen gar nicht eröffnet werden dürfen, da die Anklage von Falk benannte Entlastungszeugen nicht vernommen habe. Auch sei entscheidenes entlastendes Beweismaterial – eine Unternehmensbewertung von Falks Internet-Firma „Ision AG“ durch die Wirtschaftsprüfergesellschaft „Dresdner Kleinworth Benson“ – neun Monate zurückgehalten worden. Richter Nikolaus Berger räumte ein, dass ein Teil der Akten „aus Versehen“ für die Verteidigung zunächst nicht mitkopiert worden sind. Laut Strate belegt das Papier, dass die angeblichen Scheinumsätze beim „Ision“-Verkauf gar keine Rolle gespielt habe und der Betrugsvorwurf hinfällig sei.

Während des Ermittlungsverfahrens hatten bereits zwei Richter der Kammer wegen Befangeheit den Hut nehmen müssen. Die Juristen hatten 532 Millionen Euro aus Falks Vermögen beschlagnahmt. Das hatte das BVerfG als „unverhältnismäßig“ gerügt, da nur ein Schaden von 46,7 Millionen Euro im Raum steht.

Dem „Superstar der New Economy“ wird zur Last gelegt, durch unlautere Tricks den Wert seiner Firma „Ision AG“ an der Börse in die Höhe getrieben zu haben. Befreundete Firmen hätten fingierte Aufträge zu überhöhten Preise erteilt und die Rechnungen an „Ision“ gezahlt: Diese Beträge seien aber von Falks Schweizer Holding „Distefora“ an die Auftraggeber zurückgezahlt worden.

Beispielsweise berechnete „Ision“ für den Relaunch der Website von TV-Talkerin Sabine Christiansen 1,8 Millionen Mark. Die mutmaßliche Luftbuchung wurde über die Firma Medienkontor Online von Christiansens Ex-Mann abgewickelt.

Durch ein Wirtschaftsgutachten im Einklang mit den Nullsummenspielen konnte „One-Line Kapitän“ Falk den Eindruck erwecken, „Ision“ sei eine expandierende und floriende Firma, als er diese 2001 an die britische „Energis“ für den abenteuerlichen Preis von heute 812 Millionen Euro verkaufte.

Ob eine solche Täuschung juristisch einen Betrug darstellt, ist umstritten. „Die angeblichen Opfer waren nicht naiv“, sagt Strate. „Bei Energis war das Erfinden von Umsätzen gang und gäbe.“ Energis hätte von den fraglichen Buchungen gewusst.

Der Prozess wird fortgesetzt.

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