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Rechtsweg gegen Campus-Maut ist ausgeschlossen

BEZAHLSTUDIUM Nach Urteil der Bundesrichter bleibt Gebührengegnern nur eine Hoffnung: die Politik

LEIPZIG taz | Nachdem die Bundesverwaltungsrichter in Leipzig gegen Studiengebühren nichts einzuwenden haben, will nun die Bildungsgewerkschaft GEW die Vereinten Nationen in Genf anrufen. Auch Wahlen in einigen Bundesländern könnten ein Gratisstudium noch ermöglichen.

Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom späten Mittwochabend war eindeutig: Weder das Grundgesetz noch der UN-Sozialpakt verbieten, dass einzelne Bundesländer Studiengebühren einführen. Zwar ging es im konkreten Fall um das Gebührengesetz Nordrhein-Westfalens, doch die Entscheidung ist von grundsätzlicher Bedeutung. Juristisch lässt sich das Bezahlstudium in Deutschland nicht mehr verhindern – höchstens noch politisch.

Zur Begründung des Urteils teilte das Gericht mit, es müsse nur sichergestellt werden, dass durch die Erhebung von Studiengebühren keine „unüberwindlichen sozialen Barrieren für die Aufnahme oder Weiterführung eines Studiums“ errichtet würden. Nordrhein-Westfalen biete aus diesem Grund wie die anderen Länder mit Bezahlstudium Kredite an. Zwar kritisierte der Vorsitzende Richter, dass sich durch Zinsen und Zinseszinsen „eine nicht unerhebliche Schuldenlast“ für StudentInnen auftürmen könne. Insgesamt erfülle das NRW-Gebührengesetz aber noch die Anforderungen der sozialen Verträglichkeit. Das liegt auch an der Höchstsumme für Schulden aus Gebührenkrediten und Bafög-Darlehen. Mehr als 10.000 Euro Schulden sind in NRW ausgeschlossen, in anderen Ländern sind es 15.000 Euro.

Neben Nordrhein-Westfalen müssen momentan Studierende in Niedersachsen, Baden-Württemberg, Bayern, Hamburg und im Saarland Gebühren von bis zu 500 Euro pro Semester bezahlen. Im Jahr 2005 hatte das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass die rot-grüne Bundesregierung den Ländern die Erhebung von Gebühren nicht verbieten darf.

Weil mit dem Leipziger Urteil der Rechtsweg für Gebührengegner aussichtslos wird, richtet sich die Hoffnung auf die Politik. In Hessen hat im vergangenen Jahr eine linke Parlamentsmehrheit die Campus-Maut wieder abgeschafft. Das könnte nun auch im Saarland passieren, wo im August gewählt wird. Die SPD verspricht, bei einem Wahlerfolg „als erste Maßnahme“ die Gebühren wieder abzuschaffen, wie Spitzenkandidat Heiko Maas angekündigt hat. Und in Ostdeutschland sprechen sich inzwischen auch die wahlkämpfenden CDU-Ministerpräsidenten Dieter Althaus und Stanislaw Tillich offen gegen die Einführung von Studiengebühren in Thüringen und Sachsen aus – obwohl die Landesparteien dies lange gefordert hatten.

In Unions-Stammländern wie Bayern und Baden-Württemberg allerdings ist nicht damit zu rechnen, dass die Gebühren wieder rückgängig gemacht werden. Studierenden, denen das nicht passt, bleibt nur eines: die Flucht in Länder mit Gratisstudium. WOLF SCHMIDT

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