DEUTSCH-CHINESISCHE BEZIEHUNGEN: ZU WENIG PLATZ FÜR KULTUR: Unvermeidlicher Konflikt
In der chinesischen Hauptstadt die Peking-Oper zu besuchen und eine moderne Kunstausstellung zu eröffnen ersetzt keine deutsche Kulturpolitik in China. Das weiß auch Bundeskanzler Gerhard Schröder. Deshalb wollte er bei seinem sechsten China-Besuch gerne ein zweites deutsch-chinesisches Kulturabkommen absegnen. Das erste dieser Art ist über 15 Jahre alt. Es war seinerzeit ein großer Fortschritt, weil es mit der Einrichtung eines Goethe-Instituts in Peking erstmals westliche Kulturarbeit auf chinesischem Boden ermöglichte. Doch dass der Rahmen für die deutsch-chinesische Kulturarbeit seither nicht weiter gefasst wurde, zeigt auf dramatische Art, wie einseitig ökonomisch geprägt und wenig nachhaltig sich die Beziehungen beider Länder derzeit entwickeln.
Immer forscher und frecher trumpfen deutsche Manager in China auf. Lufthansa, ein Unternehmen, das Schröder jetzt in China besucht, kündigte kürzlich von Peking aus Stellenkürzungen in Deutschland an. Schon ist der Tag absehbar, an dem VW-, Siemens- und BASF-Manager, die derzeit besonders stark in China investieren, ihre deutschen Angestellten tarifpolitisch unter Druck setzen. Arbeit ist billig hier. Spätestens dann könnte es in Deutschland zu populistischen Protesten gegen China kommen. Um diesem Konflikt entgegenzuwirken, bedarf es schon heute eines breiten kulturellen Austauschs zwischen beiden Ländern.
Schließlich ist unvermeidlich, dass der internationale Leistungsvergleich der großen Konzerne China in Zukunft immer stärker mit einbezieht. Statt das aber als Erfolg deutscher Unternehmen im Ausland zu verklären, wäre es schon heute Aufgabe des Bundeskanzlers, das deutsche Publikum auf die sozialen Folgen vorzubereiten. Denn es muss den Deutschen gelingen, Chinas Fortschritt auch dann noch zu bejahen, wenn er daheim Arbeitsplätze kostet – sonst würde man die heutige Arbeitsteilung zwischen Erster und Dritter Welt verewigen wollen. Schröder weiß das zwar, doch die Erklärungen sind ihm zu mühsam. Sonst hätte er das zweite deutsch-chinesische Kulturabkommen jetzt nicht scheitern lassen. GEORG BLUME
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen