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Stimme gegen Totengräber und Grabredner

Neues linkes Bündnis wird zur Bürgerschaftswahl im Februar antreten. Offene Liste aus Regenbogen, PDS und mehreren anderen Gruppen gegen Rechts und auch Rot-Grün. Bis Anfang Januar soll formale Gründung vollzogen worden sein

von SVEN-MICHAEL VEIT

„Der Widerstand“, glaubt Norbert Hackbusch, „muss ausgedrückt werden.“ Nämlich der gegen Schwarz-Schill, gegen eine eventuelle rot-grüne Koalition in Hamburg und gegen das, was der frühere Bürgerschaftsabgeordnete des Regenbogen „den Zynismus der Berliner Republik“ nennt. Einen Namen hat die Antwort noch nicht, aber sie wird erteilt werden. Das zumindest beschlossen gestern Nachmittag führende VertreterInnen von Regenbogen und PDS in Hamburg. Bis Anfang Januar werde über Organisation, Struktur und Titel eines linken Bündnisses entschieden: „Wir werden zur Bürgerschaftswahl antreten“, erklärt Hackbusch, „als die linke Kraft gegen Frust und Resignation.“

Die Initialzündung zur Gründung einer Sammlungsbewegung versprengter Linker war am Donnerstagabend auf einer Veranstaltung in der Universität für Wirtschaft und Politik (HWP) erfolgt. Etwa 300 Menschen debattierten dort zunächst über die Frage, „ob“ eine Kandidatur links von Rot-Grün sinnvoll sei – sehr schnell aber nur noch darüber, „wie wir diese Kandidatur organisieren“. Der Grundkonsens wurde zügig definiert: „Eine linke Wahloption“ müsse unabhängig vom Schielen auf Prozentpunkte „artikuliert“ werden und in dem „Wissen, dass wir nicht regieren werden und wollen“.

Und dies eingedenk der Erkenntnis, dass es „sehr wohl Unterschiede gibt zwischen Rot-Grün und Schwarz-Schill“. Wer geglaubt habe, „schlimmer kann es nicht werden“ als unter dem früheren SPD-GAL-Senat, der sei durch die Rechts-Koalition „eines Schlechteren belehrt worden“. Unter CDU und Schill-Partei habe „ein Systemwechsel“ stattgefunden, das aber sei kein Grund, sich mit „dem kleineren Übel“ Rot-Grün zufrieden zu geben: „Die SPD war der Totengräber der Stadt“, so eine Diskutantin, „der Christ von Beust ist nur der Grabredner.“

Die einstige Bürgerschaftsgruppe des Regenbogen war vollzählig in der HWP erschienen, auch die PDS glänzte mit ihrer lokalen Parteiprominenz. Zaghafte Dominanzversuche der beiden Großen unter den linken Kleinen wurden im Keime erstickt. VertreterInnen von Sozialpolitischer Opposition oder Sozialistischer Alternative, von Flüchtlingsrat oder der Bauwagenszene, EinzelkämpferInnen von gewerkschaftlichen Gruppierungen und Betriebsräten ebenso wie „der Olaf von der DKP“ beharrten auf „der Offenheit für viele Strömungen“.

Dennoch überwog der Pragmatismus dieses „breiten, bunten, kommunistisch-sozialistisch-linksalternativen“ Bündnisses, wie PDSler Ansgar Schneider die zu findende gemeinsame Basis zu beschreiben beliebte. Eine neue Wählervereinigung oder gar Partei an die Wahlurne zu schicken, sei aus organisatorischen Gründen nicht mehr zu realisieren. Denn bis zum 6. Januar müssen formvollendete Kandidaturen beim Landeswahlleiter eingereicht werden. Also wurden Regenbogen und PDS per „Meinungsbild“ beauftragt, „den Mantel“ in Form einer organisatorischen Basis zu liefern.

An diesem Wochenende sollen, so wurde nun gestern vereinbart, die Grundzüge intern geklärt werden, eine öffentliche Vorstellung soll am 3. oder 4. Januar folgen. Die Wahlchancen, räumt Hackbusch ein, „sind vielleicht nicht glänzend“. Aber wer nicht kämpfe, habe bekanntlich „ja bereits verloren“.

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