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Stöhnen, ohne zu stören

ROTLICHT Ein Gericht beschäftigt sich mit der Frage, ob Bordelle im Wohngebiet prinzipiell zulässig sind

Keine Leuchtreklame, keine aufdringlichen Werbetafeln – nur ein dezentes Messingschild an der Hauswand weist den Weg: „Salon Prestige“. Diskretion, das ist die Geschäftspolitik von Kerstin Berghäuser, die in der Ringbahnstraße 1 in Charlottenburg in einer 230-Quadratmeter-Erdgeschosswohnung ihr Wohnungsbordell betreibt. Auch am Dienstag, als das Verwaltungsgericht mit der Presse im Schlepptau das Haus und die Umgebung in Augenschein nahm, wahrte Berghäuser Diskretion. Die Arbeitsräume des „Prestige“, in denen 25 Frauen im zeitlichen Wechsel selbständig tätig sind, waren für die Öffentlichkeit tabu.

Zum ersten Mal beschäftigt sich eine Kammer des Verwaltungsgerichts in einem Hauptverfahren mit der Frage, ob ein bordellartiger Betrieb in einem Mischgebiet zulässig ist. Nicht nur die geschätzten 400 Wohnungsbordelle in der Stadt hoffen auf eine Grundsatzentscheidung in der Frage, wo sie sich ansiedeln dürfen. „Auch die Bezirke warten darauf, endlich eine Leitlinie an die Hand zu bekommen,“ sagt die Vorsitzende Richterin Annegret Alven-Döhring nach dem Ortstermin im Gerichtssaal.

Bei Mischgebieten handelt es sich um eine Mischung aus Wohn- und gewerblichem Gebiet, in dem es auch Vergnügungsstätten geben darf. Trotzdem verweigern viele Bezirksämter Bordellbetreibern die Betriebsgenehmigung aus bauplanungsrechtlichen Gründen. Pauschal heißt es, die Bordelle stellten in einem Wohnumfeld eine generelle Störung dar und würden milieubedingte Begleiterscheinungen nach sich ziehen. Sprich: Kondome im Hausflur; betrunkene Freier, die an fremden Wohnungstüren klingeln; Drogenhandel und Zuhälterei.

Im Fall des „Prestige“ argumentiert das Bauamt Charlottenburg zudem mit dem Oberverwaltungsgericht Berlin. In dem mehrere Jahre alten, im Eilverfahren gefassten Beschluss heißt es: In einem Mischgebiet seien bordellartige Betriebe grundsätzlich nicht zulässig.

Ortstermin, mündliche Hauptverhandlung, Vernehmung von Sachverständigen, Zeugen: Die Beweisaufnahme am Dienstag zeigt, dass der Betrieb des „Prestige“ völlig geräuscharm vonstattengeht. Es gibt weder Anwohnerbeschwerden noch Strafanzeigen. Die Frauen arbeiten selbstbestimmt ohne Zuhälter; Kollegialität, Diskretion, Hygiene und Sicherheit seien oberstes Gebot, sagte eine als Zeugin geladene Sozialarbeiterin des Gesundheitsamts.

Vieles deutete darauf hin, dass die Kammer die Sachlage anders bewertet als andere Richter und das Bezirksamt. Ein Urteil wird am Mittwochnachmittag gefällt. Anwältin Margarete von Galen, die den Puff vertritt, hofft auf eine Signalwirkung: „Bisher haben die Gerichte immer stereotyp entschieden, bordellartige Betriebe würden nur stören“. PLUTONIA PLARRE

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