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Umweltpolitiker fürchten Stoiber

Während Jürgen Trittin in Argentinien weilt, erstreiten sich die Länder in der Föderalismuskommission offenbar immer neue Kompetenzen beim Umweltschutz

BERLIN taz ■ Die Umweltpolitiker in der grünen Bundestagsfraktion machen sich Sorgen. Kurz vor den abschließenden Beratungen der Föderalismuskommission am Freitag warnten Fraktionsvize Reinhard Loske und der umweltpolitische Sprecher Winfried Hermann gestern davor, dass der Bund ausgerechnet in ihrem Fachgebiet, dem grünen Leib- und Magenthema Ökologie, wichtige Kompetenzen an die Länder verlieren könnte.

Während der grüne Bundesumweltminister Jürgen Trittin bei der UN-Klimaschutzkonferenz in Buenos Aires weilt, wird in Berlin heftig um seine Zuständigkeiten gefeilscht. Wie die Umweltgesetzgebung künftig geregelt werden soll, hatten die Vorsitzenden der Föderalismuskommission, Edmund Stoiber (CSU) und Franz Müntefering (SPD), in ihrem ersten Einigungspapier vom Montag offen gelassen. Auch gestern hieß es, die Verhandlungen seien noch nicht abgeschlossen. Die Umwelt gehöre nach wie vor zu den offenen Fragen, sagte Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt.

„Wenn es ganz schlecht läuft, bleibt für Trittin faktisch nur noch die Zuständigkeit für die Reaktorsicherheit übrig“, befürchtet der grüne Umweltexperte Hermann. Er ist über den Verhandlungsstand entsetzt: „Die Länder versuchen in der Umweltpolitik bisher schon überall zu blockieren, wo es nur geht, und jetzt sollen sie sogar noch mehr Rechte bekommen.“

Auch der für Umwelt zuständige Fraktionsvize Loske bedauert den Verlauf der Verhandlungen. Es zeichne sich ab, dass die Position, mit der die Grünen in die Beratungen der Föderalismuskommission gegangen seien, nicht durchsetzbar sei, sagte Loske der taz. Ursprünglich wollten die Grünen mehr Kompetenzen für Berlin als bisher. „Unser Wunsch war, dass alle Zuständigkeiten beim Bund liegen sollten“, so Loske. „Das wäre die beste Lösung.“ Der grüne Traum lautete: „Umweltpolitik aus einem Guss“. Er scheint ausgeträumt.

Die Länder versuchen stattdessen – offenbar mit Erfolg – ihre Kompetenzen auszuweiten. Neben den Bereichen Wasserrecht und Naturschutz, wo sie bereits über weitreichende Einflussmöglichkeiten verfügen, wollen die Länder auch Zugriff auf Teile des Abfallrechts erhalten. Außerdem, so wird in grünen Kreisen befürchtet, könnten sich die Länder die Kontrolle über Genehmigungsverfahren beim Emissionsschutz sichern. Da sich bei der SPD offenbar wenig Gegenwehr regt, schwimmen den Grünen die Felle davon. Loske plädiert deshalb inzwischen für „die zweitvernünftigste Lösung: alles so zu lassen, wie es ist“. Dann würde der Bund wenigstens „ein hohes Maß an Kompetenz in den Bereichen Abfall, Luft und Lärm“ behalten.

Bei den Grünen gibt es allerdings auch andere Stimmen. Durch das einschlägige Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Juniorprofessur, das die Zuständigkeit des Bundes einschränkte, sei ohnehin klar, dass der Bund auch in der Umweltpolitik in vielen Bereichen kaum noch Möglichkeiten habe, den Ländern etwas vorzuschreiben. Da könne man den Ländern gleich mehr Rechte einräumen, heißt es – dann wären sie wenigstens auch voll verantwortlich und müssten, etwa bei Verstößen gegen EU-Richtlinien, haften. Loske und Hermann dagegen meinen, der Bund sollte trotz aller Schwierigkeiten seine Möglichkeiten weiter so gut wie möglich nutzen.

Die Bewahrung des Status quo als kleinstes Übel? Es sieht so aus, dass es beim Kompetenzwirrwarr bleibt – bestenfalls. Mit dem Ziel, das Umweltminister Trittin noch am Montag ausgab, hätte diese Lösung nichts mehr zu tun. „Unser Umweltrecht muss endlich europatauglich werden“, hatte Trittin vor seiner Abreise nach Argentinien erklärt. „Die Föderalismuskommission bietet die Chance, hier eine Lösung zu finden.“ Gestern hieß es aus seinem Ministerium, die Verhandlungen liefen noch. Bisher gebe es „wenig Bewegung in der Sache“. LUKAS WALLRAFF

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