: Freispruch für den Amok-Kutscher
UNFALL IM WATT Das Amtsgericht Hamburg spricht den Fahrer einer Kutsche vom Vorwurf der fahrlässigen Körperverletzung frei. Sein Gespann war bei einer Wattfahrt vor Neuwerk durchgegangen
Tierschutzexpertin Elke Deininger
Ein 69-jähriger Aushilfs-Kutschenfahrer aus dem Kreis Cuxhaven ist vom Amtsgericht Hamburg-Mitte vom Vorwurf der fahrlässigen Körperverletzung freigesprochen worden. Sein Gespann mit zwölf Urlaubern war im Mai 2008 bei einer Wattfahrt vor der zu Hamburg gehörenden Insel Neuwerk durchgegangen und zunächst auf ein anderes Gespann geprallt.
Während es einem Großteil der Urlauber gelang, das Gefährt zu verlassen, liefen die Pferde plötzlich wieder los und unkontrolliert den Deich hoch, wobei die Kutsche umgekippte. Drei Urlauberinnen im Alter zwischen 50 und 69 Jahren erlitten Knochen- und Rippenbrüche sowie ein Schädel Hirn-Trauma.
Im Gegensatz zum ersten Verhandlungstag, an dem die Richterin dem 69-Jährigen noch vorgeworfen hatte, die Sicherheitsvorkehrungen nur mangelhaft beachtet zu haben, ist sie nun zu dem Schluss gekommen, dass der Angeklagte alles ihm Mögliche gemacht habe, das Gespann wieder in den Griff zu bekommen. „Im Watt anzuhalten ist unmöglich“, hatte der Angeklagte gesagt. Das hätte das aufgeregte Tier, das die Amokfahrt auslöste, noch nervöser gemacht und er hätte die Tiere ohne Hilfe nicht unter Kontrolle bringen können.
Ein Sachverständiger bezeichnete diese Darstellung als plausibel. „Es ist unglücklich gelaufen“, sagte der Staatsanwalt in seinem Freispruch-Plädoyer. Der Angeklagte hätte einen Helfer gebraucht, um den Unfall zu verhindern. Als Angestellter sei er nicht dafür verantwortlich, dass es den nicht gab.
Experten zufolge seien Kutschfahrten „ziemlich gefährlich“ und immer mit einem „Restrisiko“ behaftet, so Tierschutzexpertin Elke Deininger von der Akademie für Tierschutz. Pferde seien von Natur aus Fluchttiere, die bei Angst losliefen. Auch erfahrene Kutschenfahrer könnten in solchen Situationen wenig ausrichten, so Deininger „Wenn Pferde in Panik geraten, dann rennen sie einfach los.“ MAGDA SCHNEIDER
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