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Reisen? Besser nicht?

Urlauber im Moraldilemma: Dürfen sie nicht mehr nach Südostasien reisen? Oder sollten sie gerade jetzt?

Die Strände waren kaum von Trümmern und Toten bereinigt, da tummelten sich schon wieder Touristen unter der Sonne Thailands. Bild druckte unlängst auf der Titelseite zwei davon ab, die man wegen ihres Körpervolumens auch für Wasserleichen hätte halten können, und kommentierte streng: „Aber das Bier schmeckt schon wieder!“ Schon haben sich besonders pfiffige Urlauber bei den Veranstaltern nach Reisen zu Schnäppchenpreisen erkundigt, weil da unten doch jetzt sowieso alles total kaputt ist.

Auch gestern appellierte wieder der Verband deutscher Reisebüros und Reiseveranstalter (DRV) an die Bundesbürger, weiter nach Südostasien zu reisen, wenn auch nicht direkt in die Katastrophengebiete. Blieben die Touristen aus, so „wäre dies ein zweiter katastrophaler Schlag für die so hart getroffene Bevölkerung“, sagte DRV-Präsident Klaus Laepple. Was tun? Hinfahren und helfen? Hinfahren, siamesisches Bier trinken und damit die Wirtschaft des Gastlandes stärken? Daheim bleiben, Geld für deutsches Bier ausgeben und den Rest spenden? Daheim bleiben und N24 einschalten, um sich an den exponentiell steigenden Opferzahlen zu delektieren? Bunte lesen, um sich von der wundersamen Rettung von Gestalten wie Karel Gott oder Helmut Kohl trösten zu lassen? Geht auch nicht, weil uns schon die simple Feststellung ein schlechtes Gewissen bereitet, dass uns die Liste der Opfer im Tagesspiegel an den Medaillenspiegel der Olympischen Spiele erinnert.

Wie man’s auch macht, ist es falsch. Die große Empörung aber über die stoischen Biertrinker von Phuket aber hat eine kleine Schwester, die jeder kennt: Wenn wir uns mit dem Hammer auf den Finger schlagen, dann wandelt sich der Schmerz, kaum abgeebbt, für kurze Zeit in rasende Wut – und dann ist wieder gut. Die scheinbar sinnlos aufwallende Empörung hat mit Ethik, Moral oder anderen Werten nichts zu tun. Sie ist eine anthropologische Konstante mit dem praktischen Zweck, das Entsetzen zu bannen. FRA

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