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Lohnfortzahlung für Abgeordnete

Intern war es sogar amtlich: Schon 1990 hat die Volkswagen AG Grundsätze verabschiedet, nach denen sie Ex-Mitarbeiter, die in deutsche Parlamente abwanderten, weiter Geld überweisen konnte. Eine Arbeitsleistung soll sie nicht erwartet haben

AUS HANNOVER JÜRGEN VOGES

Der Volkswagen-Konzern hat in die Politik gewechselten VW-Mitarbeitern jahrzehntelang das Gehalt weitergezahlt. Das hat VW-Chef Bernd Pischetsrieder nach Angaben des niedersächsischen Ministerpräsidenten Christian Wulff (CDU) dem Aufsichtrat mitgeteilt. Seit dem 4. April 1990 gälten im Unternehmen Grundsätze, nach denen ins Parlament gewählten Politkern zwar weiterhin ein Gehalt gezahlt werden konnte, arbeiten hätten sie dafür aber nicht müssen.

Der VW-Konzern selbst drückte es schwurbeliger aus: Die Grundsätze hätten „Mandatsträgern weitgehende Autonomie in ihrer Arbeitsgestaltung bei Fortzahlung ihrer Bezüge“ zugesichert, hieß es in einer Erklärung. Dadurch habe die Unabhängigkeit der Abgeordneten gewahrt werden sollen.

Schon am Dienstag will der VW-Vorstand die großzügige Parlamentarier-Alimentierung „rückwirkend zum 1. Januar ersatzlos außer Kraft setzen“. Gegenwärtig hat der Konzern nach eigenen Angaben sechs Parlamentarier angestellt. Auf der Liste stehen zwar nur SPD-Politiker – zwei gehören dem Bundestag an, drei dem niedersächsischen Landtag und einer dem bayrischen Landtag. Dennoch hält selbst Wulff die VW-Zahlungen nicht für ein SPD-Problem, sondern für „ein Problem des gesamten Parlaments, unabhängig von der Parteizugehörigkeit“.

Festgeschrieben hatte die Grundsätze zur Bezahlung von Politikern mit VW-Beschäftigungsverhältnis schon der Amtsvorgänger des heutigen VW-Personalvorstands Peter Hartz. Zu der Zeit hatte noch eine von Ernst Albrecht geführte CDU/FDP-Regierung das Sagen in Niedersachsen und damit bei VW. Dem Landtag in Hannover gehörten im April 1990 mit Walter Lellek und Harald Menges mindestens zwei CDU-Abgeordnete an, die in den Genuss der Grundsätze kamen. Das Gleiche gilt für den CDU-Bundestagsabgeordneten Volkmar Köhler.

Von den sechs Parlamentariern auf der aktuellen Liste kann man höchstens dreien einen Vorwurf machen. Der bayerische Landtagsabgeordnete Hans Joachim Werner, der früher Öffentlichkeitsarbeiter bei Audi war, lässt sein Beschäftigungsverhältnis nach VW-Angaben bereits seit dem 1. September 2001 ohne Bezüge ruhen. Der niedersächsische Landtagsabgeordnete Günter Lenz erhält als Betriebsratsvorsitzender von Volkswagen Nutzfahrzeuge in Hannover und auf Grundlage des Betriebsverfassungsgesetzes als freigestellter Betriebsrat weiter ein VW-Gehalt. Das Gleiche gilt für den SPD-Bundestagsabgeordneten Hans-Jürgen Uhl, der dem Wolfsburger Gesamtbetriebsrat angehört. Auch der niedersächsische Landtagspräsident Jürgen Gansäuer hat die Bezüge, die Lenz für seine Betriebsratsarbeit weiter erhält, gestern ausdrücklich nicht beanstandet.

Erst seit Jahresanfang lassen allerdings die niedersächsischen SPD-Landtagsabgeordneten Ingolf Viereck und Hans-Hermann Wendhausen und der SPD-Bundestagsabgeordnete Jann-Peter Janssen aus Norden ihre VW-Arbeitsverhältnis ruhen und verzichten auf das Zubrot. Viereck und Wendhausen, die seit 1994 Geld von VW bekamen, müssen die Nebenverdienste wegen des strengeren Abgeordnetengesetzes in Niedersachsen an die Landeskasse weiterreichen. Landtagspräsident Gansäuer sieht in den seit 1990 geltenden VW-Grundsätzen einen Verstoß gegen das Gesetz, das Vergütungen an Parlamentarier nur bei Arbeitsleistung erlaubt.

Die beiden SPD-Abgeordneten haben in einer Stellungnahme an den Landtagspräsidenten nicht zugegeben, von VW Geld fürs Nichtstun erhalten zu haben. Gansäuer zufolge schilderten sie zwar die Tätigkeit, die sie für VW ausgeübt haben wollen, gaben aber keine Auskunft über deren Umfang. Darüber hätten sie keine Aufzeichnungen gemacht, erklärten sie. Gansäuer hat sich nun mit Bitte um Aufklärung an VW-Chef Pischetsrieder gewandt.

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