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Medien und Meinungsmache

Wie durch das Internet eine Gegenöffentlichkeit gegen die konventionelle Berichterstattung der Medienaufgebaut werden könnte und zum Beispiel die reinigende Wirkung der Katastrophe beschworen wurde

VON VOLKER KLINKMUELLER

Die Tourismusbranche im Süden Thailands kämpft ums Überleben – und klammert sich an jeden Strohhalm der Hoffnung. So konnte es wohl kaum noch verwundern, als der Chef einer der landesweit größten Touranbieter höchstpersönlich in die Tastatur griff und Rund-Mails versendete, in denen er die frohe Botschaft eines „Cleansing Effect“ verkündete. Demnach hatten Mitarbeiter des staatlichen „Phuket Royal Irrigation Projects“ festgestellt, dass die Wucht der Tsunami-Wellen einige Strände so sehr gereinigt hat, dass deren Sand nun in der Schönheit wie vor 20 Jahren erstrahlt. Und wer das nicht zu glauben vermochte, konnte sich mit aktuellen Internet-Fotos selbst davon überzeugen. Überhaupt hat diese Naturkatastrophe aufgezeigt, wie schnell und üppig sich mit Hilfe von Web-Seiten, Digitalaufnahmen und E-Mails ein Gegengewicht gegen die synchrone, oft nach Sensationen heischende Berichterstattung konventioneller Medien erzeugen ließ.

Schon kurz nach dem Hereinbrechen der biblischen Fluten machten sich Vertreter der örtlichen Tourismusindustrie mit ihren Kameras auf den Weg, um Motive einzufangen, die von den herbeigeeilten Reporterscharen aus aller Welt zunächst weniger nachgefragt waren. Wie zum Beispiel Bilder von unzerstörten Hotels, wiedereröffneten Restaurants oder den erneut in türkisfarbenen Meeresfluten planschenden Touristen, die zwar in krassem Gegensatz zu den weltweit übermittelten Bildern der Verwüstung standen, aber ebenfalls Teil der Realität gewesen sind. Diese Momentaufnahmen wurden umgehend über neu eingerichtete Seiten ins Netz gespeist oder mit bereits bestehenden Internetseiten, gemailten Augenzeugenberichten und Hotellisten verlinkt – wobei sich auch wichtige Bereiche der Vermisstensuche über dieses Medium abspielten.

In das Visier einseitiger Berichterstattung gerieten nach einigen Tagen vor allem Touristen, die – aus Gründen der Bequemlichkeit oder Kosten, aber oft auch aus Solidarität und damit zur Genugtuung der Einheimischen – am Urlaubsort verblieben waren. So machte Deutschlands größte Boulevardzeitung ihre Titelseite sogar mit einem Foto von zwei dickbäuchigen Ausländern in knapper Badehose auf, die sich vor der Kulisse der Zerstörung mit Bierflaschen in der Hand präsentierten – gerade so, als wenn sie auf die Katastrophe anstoßen wollten. Nicht viel anders die Fotos in einer bekannten Illustrierten, die auf Tischen tanzende Transvestiten vor Phukets rotlichtigen, gut gefüllten Touristenbars zeigten. Damit sollte offensichtlich das Bild des „hässlichen Urlaubers“ erzeugt werden, der im Flutgebiet ums Goldene Kalb tanzt. Weitere Emotionen wurden durch Interviews mit Touristen geschürt, die sich in der Katastrophe noch leidenschaftlich über Servicemängel oder zu wenige Sonnenschirme aufregten – was aber selbstverständlich nicht an der Tagesordnung gewesen ist.

Derartige Bilder führten im Ausland genauso zu Irritationen wie die verwirrenden Meldungen um die Bereisbarkeit der Krisenregion. Einerseits wurde vermeldet, dass Touranbieter oder das Auswärtige Amt in Berlin dringend von Reisen in die Katastrophengebiete abraten. Andererseits war zu lesen, dass Reiseveranstalter und der Bundesverband Deutsche Tourismuswirtschaft vor einem Reiseboykott der Katastrophenländer warnen und empfahlen, möglichst schnell wieder in den vom Seebeben betroffenen Ländern zu urlauben, um den Wiederaufbau zu unterstützen. Bei derartigen Meldungen hatten sich folgenreiche Unterschiede allein schon durch die Nuance ergeben, ob vor dem Reisen in die „Katastrophenländer“ oder nur in die „Katastrophengebiete“ gewarnt wurde. Und so manche grafische Darstellung erweckte sogar den Eindruck, als wenn das Seebeben ganz Phuket oder sogar die Hauptstadt Bangkok ausgelöscht hätte.

Premierminister Thaksin Shinawatra indes, dem von internationalen Beobachtern ein gutes Krisenmanagement attestiert wird, setzte seinen Kontrapunkt durch einen medienwirksamen Auftritt auf Phuket: Am Surin-Strand erläuterte der Regierungschef, dem nicht selten elitäres Denken, ungesunder Ehrgeiz und ein arrogantes Verhalten nachgesagt werden, westlichen Touristen bereitwillig die umgehende Wiederauferstehung des beliebten Urlauber-Resorts. Ein großes Bild auf der Titelseite der Bangkok Post zeigte ihn dabei – gestenreich und ganz entgegen thailändischer Etikette – inmitten von halbnackten, dickleibigen Ausländern. Ein wahrhaft szenisches Foto, das vor der Katastrophe noch völlig undenkbar gewesen wäre.

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