: Auf dem Kriegspfad gegen den Iran
Das Pentagon prüft verschiedene Optionen für einen Angriff auf den Iran. Er soll, so wollen es die Falken, in Bushs neuer Amtszeit Wirklichkeit werden
VON BERND PICKERT
Die Vorbereitungen für einen Iranfeldzug als nächsten Schritt im „Krieg gegen den Terror“ sind in vollem Gang. Das schreibt der profilierte investigative Journalist Seymour Hersh in der neuen Ausgabe des New Yorker. Unter anderem gebe es seit Sommer 2004 geheime Operationen im Iran selbst.
Der Präsident und seine nationalen Sicherheitsberater hätten die Kontrolle über die Geheimdienste und verdeckte Operationen in einem Ausmaß unternommen, das seit der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg unerreicht sei, schreibt Hersh. Bush wolle diese Kontrolle benutzen, um eine aggressive und ehrgeizige Agenda gegen die Mullahs im Iran und andere Ziele im Krieg gegen den Terror umzusetzen. In rund zehn Ländern des Nahen Ostens und Asiens würden derzeit geheime US-Operationen stattfinden, darunter Algerien, Sudan, Jemen, Syrien, Malaysia und Tunesien. Anders als bei früheren vergleichbaren Operationen laufen diese und zukünftige verdeckte Aktionen laut Hersh nicht mehr unter der Leitung der CIA. Die wird im Zuge der gerade beschlossenen Geheimdienstreform weiter geschwächt, die Führung des Pentagons dagegen gestärkt. Einer der wichtigsten Unterschiede: Während CIA-Operationen den Geheimdienstausschüssen des Kongresses mitgeteilt werden mussten, gilt das – so jedenfalls die Auslegung des Pentagons – für militärische Aktivitäten dieser Art nicht. „Das Pentagon fühlt sich nicht verpflichtet, irgendetwas davon dem Kongress zu berichten“, zitiert Hersh einen anonymen früheren hohen Geheimdienstmitarbeiter.
Eine US-Kommandoeinheit sei dabei, so Hersh, jene pakistanischen Wissenschaftler nach detaillierten Informationen zu befragen, die laut Internationaler Atomenergiebehörde rund ein Jahrzehnt lang Nukleartechnologie an Teheran weitergeleitet hätten. Pakistan habe die Zusammenarbeit gegen die Zusicherung angeboten, dass die USA auf die Überstellung von Abdul Qadeer Khan, den Vater der pakistanischen Atombombe, verzichtet hätten. Diese US-Kommandoeinheit sei inzwischen von Afghanistan aus in den Iran eingedrungen.
Zu Hershs Angaben passt ein Bericht des Magazins Atlantic Monthly von Ende 2004 über Pentagon-Simulationen eines dreistufigen Angriffes auf den Iran, beginnend mit Operationen gegen vermutete Atomanlagen. Die iranische Regierung hatte im Dezember betont, sie sei auf militärische Angriffe gegen ihre Atomanlagen bestens vorbereitet. Und bereits im August vergangenen Jahres hatte sie die Verhaftung einer Reihe von Personen gemeldet, denen Spionage für ausländische Regierungen vorgeworfen wurde, namentlich die USA und Israel. „Mehr als zehn Atomspione wurden im laufenden Jahr verhaftet“, zitierte die amtliche iranische Nachrichtenagentur Irna damals den iranischen Geheimdienstminister.
Tatsächlich haben die USA laut Hershs Bericht auch die geheimdienstliche Zusammenarbeit mit Israel verstärkt. Nachdem die israelische Luftwaffe 1981 den irakischen Atomreaktor bei Osirak kurz vor der Fertigstellung bombardiert hatte, hatte Iran seine Nuklearanlagen verlegt, um außerhalb der Reichweite der israelischen F-16-Bomber zu gelangen. Inzwischen allerdings verfügt Israel über Möglichkeiten, die Flugzeuge in der Luft aufzutanken, und über U-Boote, von denen aus Marschflugkörper gestartet werden können.
Auch die seit langem vorliegenden Pläne für eine US-Invasion in den Iran werden laut Hersh derzeit überarbeitet, haben sich doch die strategischen Bedingungen inzwischen stark verändert: War früher ausschließlich der Seeweg für Landungsoperationen denkbar, so gibt es inzwischen mit Afghanistan und Irak gleich zwei Nachbarländer mit starker US-amerikanischer Militärpräsenz, zuzüglich den Militärstützpunkten in den zentralasiatischen Republiken, die sich seit dem Afghanistankrieg dort festgesetzt haben.
Hersh berichtet über verschiedene Optionen, was den Zeitplan für Aktionen gegen den Iran angeht – sicher erscheint nur, dass die Falken im Pentagon in jedem Fall Bushs zweite Amtszeit nutzen wollen. Die europäischen Initiativen, die Teheraner Regierung durch Verhandlungen und Angebote zum Aufgeben ihres Atomprogramms zu bewegen, sollten dabei schlicht ausgebremst werden. Dazu reicht zum Teil bereits, dass Washington einfach nicht mitmacht. Denn natürlich können die drei EU-Länder Frankreich, Großbritannien und Deutschland kaum glaubwürdig verhandeln, wenn sie keine Garantie anbieten können, dass Israel und die USA auf militärische Aktionen verzichten, falls Iran sich kooperationsbereit zeigt. So kann der Verhandlungsprozess fast nur scheitern. Der UN-Sicherheitsrat wäre durch mögliche Vetos Chinas und Russlands nicht handlungsfähig – und so könnten die USA sich schnell darauf zurückziehen, dass zur Eindämmung der vom Iran ausgehenden atomaren Gefahr nur die militärische Lösung bleibt. Die scheint ohnehin beschlossene Sache, denn den Neokonservativen geht es nur vordergründig um Atomwaffen: Auf die Frage, was das Ziel für den Iran sei, sagte Richard Perle, der einflussreiche ehemalige Berater im Verteidigungsministerium, schon im Juni 2003 im taz-Interview: Regimewechsel.
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