: Brummis nutzen Landrouten
Um die Maut zu sparen, weichen LKW-Fahrer im östlichen Ruhrgebiet auf Bundes- und Landstraßen aus. Städte wollen deshalb vom Bund entschädigt werden. Doch der will die Einnahmen behalten
VON ANNIKA JOERES
Die Ruhrstädte wollen auch ein Stück vom Maut-Kuchen. „Wir brauchen eine LKW-Maut auf Bundesstraßen und weiteren Verkehrswegen“, sagt Jürgen Schneider, Geschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes NRW. Sollte sich herausstellen, dass sich der LKW-Verkehr maut-freie Schleichwege suche, bräuchten die Kommunen einen finanziellen Ausgleich für die teure Instandsetzung der Straßen, so Schneider. Die Städte und Gemeinden müssten einen Anteil aus den Mauteinnahmen erhalten.
Der Forderung liegt eine Verkehrszählung auf der Bundesstraße 1 im Kreis Soest zugrunde. Die Kreispolizei hatte herausgefunden, dass sich der Lastwagenverkehr auf der gut 40 Kilometer langen Strecke im Januar im Vergleich zum Dezember mehr als verdoppelt hatte. An einzelnen Stellen soll der Verkehr sogar um 150 Prozent zugenommen haben. In drei Monaten will die Polizei erneut die Mautflüchtlinge zählen. „Eine weitere Belastung ist den Bürgern nicht zuzumuten“, sagt Schneider.
Die Einnahmen aus der Maut fließen bisher zu hundert Prozent dem Bund zu, er finanziert auch zu hundert Prozent die Autobahnen. In den ersten beiden Wochen der Maut hat der Bund durch die LKW-Maut 69 Millionen Euro eingenommen, für das gesamte Jahr rechnet Bundesverkehrsminister Manfred Stolpe (SPD) sogar mit drei Milliarden Euro.
Für den Landesbetrieb Straßenbau sind die Mautumgeher „Einzelfälle, “ so Bernd Meier von der Gelsenkirchener Behörde. Auf Bundes- und Landstraßen gebe es keine Zählschleifen, deswegen könne man zurzeit nur im Nebel stochern. Außerdem biete sich nur die Strecke zwischen Soest und Geseke für den kostenlosen Umweg an. „Im westlichen Ruhrgebiet kann niemand ausweichen, das kostet Stunden.“ Meier sieht die Ausweichmanöver nicht dramatisch. „Auch die Landstraßen wurden für den LKW-Verkehr gebaut.“ Die Städte an der A 40, der am stärksten befahrenen Autobahn durchs Ruhrgebiet, haben von den LKW-Umwegen bisher nichts bemerken können. „Das ist kein Thema“, sagt Uwe Klein von der Essener Polizei. Vereinzelt sollen ein paar mehr Brummis im Essener Süden gesichtet worden sein. Aber ansonsten, so der Polizist, führe durch Essen ja nur die Autobahn.
Auch für Udo Bullerdieck, Sprecher der Stadt Dortmund, ist das Thema „überhaupt nicht aktuell“. Er könne zwar nicht ausschließen, dass sich ein paar Brummifahrer verirrten, aber so viele seien es bestimmt nicht. Von der Maut ein paar Prozente abzubekommen, halte er für eine „gute Idee.“ Schließlich müsse die Stadt ja in die Straßen investieren.
Das Bundesverkehrsministerium belächelt die Forderungen aus den nordrhein-westfälischen Kommunen. „Erstens gehen wir nicht davon aus, dass die LKW-Fahrer ausweichen“, so Sprecher Felix Stenschke. Und zweitens sei die Maut für die Autobahnen eingerichtet worden. „Und die bezahlen immer noch wir, der Bund“, sagt Stenschke. Verstehen kann er den Ruf nach Geld aus Berlin dennoch. „Die Kommunen sind halt klamm und nutzen jede Gelegenheit, Geld zu sammeln.“ Das habe aber absolut nichts mit dem Zustand der Straßen zu tun.
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